Den kommunalen Wohnungsbau umkrempeln

Eine Initiative der MieterGemeinschaft fordert einen Richtungswechsel in der Stadtentwicklung

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Interesse von Mietern soll in einem weitgehend vom Senat und der Immobilienwirtschaft dominierten Neubau eine neue wohnungspolitische Perspektive »von unten« erarbeitet werden.

Einen »fundamentalen Richtungswechsel in der Berliner Wohnungspolitik« fordert die »Initiative neuer kommunaler Wohnungsbau« (inkw), die sich am Donnerstag der Presse präsentierte. Die Anfang des Jahres von der Redaktion des Mieterechos, der Zeitschrift der Berliner MieterGemeinschaft, angestoßene Initiative will erreichen, dass der dringend notwendige Neubau von Wohnungen künftig in erster Linie in unmittelbarer Trägerschaft des Landes erfolgt. In der Erklärung der inkw heißt es dazu: »Öffentliche Aufgaben gehören in die öffentliche Hand, sie können und dürfen nicht den privaten Akteuren überlassen werden. Die zu ihrer Erfüllung eingesetzten Mittel dürfen nicht der privaten Bereicherung dienen, wie dies im deutschen Fördersystem des sozialen Wohnungsbaus leider über Jahrzehnte passiert ist. Ein zukünftiger öffentlich finanzierter Wohnungsbau muss aus diesen Fehlern lernen: Er muss Wohnraum schaffen, der dauerhaft im öffentlichen Eigentum verbleibt. Dieser Herausforderung wird ein neuer kommunaler Wohnungsbau gerecht.«

In der Tat hat das bisherige Fördersystem zu nahezu grotesken Entwicklungen geführt. Denn die öffentliche Hand baute keine Wohnungen, sondern erwarb lediglich zeitlich befristete Belegungsbindungen in privat finanzierten Neubauten und subventionierte für diesen Zeitraum die Mieten. Nach Auslaufen dieser Bindungen kommen diese Wohnungen wieder auf den freien Markt und dürfen dort zu so genannten Kostenmieten angeboten werden, was in einigen Fällen zu Mietpreissprüngen von 100 Prozent und mehr führen könnte. Massive Proteste von betroffenen Mietern führten schließlich dazu, dass der Senat inzwischen nach Wegen sucht, diese »Altlast« durch Nachförderung zu mildern, da sonst tausenden Mietern die Vertreibung aus ihren Wohnungen droht.

Das Problem der Wohnungsknappheit besonders im unteren Preissegment wird dadurch aber nicht einmal ansatzweise gelöst. Zumal der Senat in den beiden vergangenen Legislaturperioden städtische Wohnungsgesellschaften mit einem Bestand von über 100 000 Wohnungen an private Investoren verkauft hat. Außerdem hat sich allein von 2009 bis 2013 die Einwohnerzahl in Berlin um über 120 000 Menschen erhöht. Mittlerweile sind sich alle Akteure weitgehend einig, dass in Berlin massiv neu gebaut werden muss.

Doch auch die aktuellen Pläne des Senats zur sozialen Wohnraumförderung basieren auf Subventionen für zeitlich begrenzte Belegungsbindungen, sind also alles andere als nachhaltig. Die inkw strebt dagegen an, dass kommunale Wohnungen gebaut werden, die folglich auch dauerhaft in städtischem Besitz verbleiben. Das kostet zunächst einmal viel Geld. Doch der Finanzwissenschaftler Birger Scholz, der die Initiative berät, sieht bei der Finanzierung keine unüberwindbaren Hindernisse. »Der Kauf von Unternehmensbeteiligungen und Kapitalerhöhungen - beispielsweise bei städtischen Wohnungsbaugesellschaften - ist auch nach Inkrafttreten der Schuldenbremse möglich«. Zumal der Bau kommunaler Wohnungen erheblich billiger als die Förderung sei, da Finanzierungskosten privater Bauherren und deren Renditeerwartungen nicht bedient werden müssten.

Bislang wird die inkw hauptsächlich von Mietergruppen, Stadtteilinitiativen, Gewerkschaftsgliederungen, Wissenschaftlern und einzelnen Vertretern von Parteien unterstützt. Am 12. Juni will man sich erstmals der Öffentlichkeit präsentieren: ab 18 Uhr in der ver.di-Mediengalerie (Dudenstraße 10, U-Bahn Platz der Luftbrücke).

www.inkw-berlin.de

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