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Arme Väter und andere Opfer

Eine Studie beschreibt die inneren Widersprüche der »Männerrechtsbewegung«

Ob sie modern oder antimodern sein wollen, wissen sie selbst nicht so genau. Für Maskulinisten gibt es keine Gerechtigkeit mehr in der Welt, und der Feminismus ist schuld.

Es ist fast zum Weinen: Sie sind Opfer, sie sind in ihrem Opferdasein voller Widersprüche, sie sind nicht einmal eine richtige Bewegung, und die zeigt bereits Spaltungstendenzen. Maskulinisten nennt Robert Claus jene, die sich selbst lieber als »Männerrechtsbewegung« bezeichnen, um deutlich zu machen, woran es in der Gesellschaft hapert. Für seine Studie »Maskulinismus. Antifeminismus zwischen vermeintlicher Salonfähigkeit und unverhohlenem Frauenhass« im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung hat sich Claus bis in die Abgründe der einschlägigen Foren begeben.

»Ich war beim psychologischen Dienst der Agentur für Arbeit und der konnte mit mir nicht wirklich etwas anfangen und diagnostizierte einen Frauenhass.« Unter der Adresse »wgvdl.com« - die Buchstabenkombination steht für »Wieviel ›Gleichberechtigung‹ verträgt das Land?« - findet User »unwichtig« Gleichgesinnte. Die ersten von ihnen haben sich bereits Robert Claus’ Studie angesehen und ihre vernichtenden Urteile gefällt, diskutieren, ob man von einem »medialen Shitstorm« sprechen kann, da sich nun bereits drei Wissenschaftler mit ihrem Sujet beschäftigt haben, und wie viel Steuergelder wohl dafür verschwendet wurden.

Wie um die Organisationen MANNdat, Agens, Väteraufbruch für Kinder und andere sammeln sich dort jene, die nicht damit klar kommen, dass sich die Geschlechterverhältnisse tatsächlich verändert haben. Ob in Politik, Wirtschaft, Militär, Universität oder Kirche - überall mischen inzwischen auch Frauen mit. Läuft es in der Ehe nicht rund, lassen sie sich scheiden, und nicht einmal der Stammtisch ist noch das, was er einmal war, lauert doch vielleicht schon nebenan das feministische Übel und hört mit. Ganz schlimm also!

Als wäre das alles noch nicht arg genug, stellt sich heraus, dass Männlichkeit keine Charaktereigenschaft und nicht in Stein gemeißelt ist, sondern eine Zuschreibung, die sich im Laufe der Zeit wandelt. Für die Maskulinisten wurde auch die »natürliche Weiblichkeit« zerstört und stattdessen »ein entfremdeter weiblicher Charakter« geschaffen, »welcher sich durch Gewalthandeln, Gier, ›entgrenzte‹ Sexualität, Selbstzufriedenheit und Rachsucht auszeichnet«.

»Ich hab’ Liebe, Geborgenheit und Ruhe gesucht, aber das fand ich nicht mehr in meiner Familie. Meine Frau wollte Karriere machen und da war kein Platz mehr für Ruhe und Harmonie.« So schilderte eine Maskulinistin (sogar das gibt’s) das Schicksal eines »Vaters aus Essen«. Mann leidet unter Feministinnen, »Scheidungsmüttern« und Gleichstellungsbeauftragten, stellt sich selbst als emotional und fürsorglich dar und möchte stets auch für die Kinder nur das Beste. Zumindest »scheint der positive Bezug auf aktive Vaterschaft konsensfähig zu sein«, wie Claus feststellt. Doch in schlechter bezahlte, soziale und pädagogische Berufe will dann doch niemand »verdrängt« werden. »Es lässt sich also fragen, wie ernst es wirklich gemeint ist mit der Übernahme reproduktiver Aufgaben und ob hierfür auch nur der geringste Privilegienverlust in Kauf genommen werden würde.«

Modern oder antimodern, Familienvater oder Männerbündler - das sind die Grundfragen, deren Klärung die »Bewegung« vermutlich vollständig zerlegen würde. Stattdessen ist man sich Claus zufolge uneins, ob migrantische oder schwule Männer diskriminiert oder aber in die »›Bewegung‹ aller vom ›Feminismus betroffenen Männer‹« eingeschlossen werden sollten. Die Konflikte um Rassismus und Homophobie verwundern nicht, gibt es doch eine große Nähe zu christlichen Fundamentalisten, Abtreibungsgegnern und Rechtsextremisten. Mit oder ohne jene veranstalten die Maskulinisten Demonstrationen und Kongresse, verfassen Offene Briefe und strapazieren beharrlich die »Kommentarfunktionen deutscher Leitmedien«. Dort knüppeln sie gegen das durch »Scheidungsfeminismus«, »Femokratie«, »Femi-Faschismus«, »Machtergreifung der Frau« oder »ideologische Umerziehungspolitik« erlittene Unrecht, und wer sie selbst kritisiert, wird mitunter geschmäht und bedroht. Bei solchen Opfern bleibt das Auge doch trocken.

Die Studie im Internet unter: dasND.de/antifeminismus

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