Total unnormal

Wolfgang Hübner über die vorletzten Zuckungen der CDU gegen Rot-Rot-Grün in Thüringen

  • Lesedauer: 2 Min.

Die CDU hat ja nun schon lange Zeit gehabt sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Thüringen demnächst womöglich von einem linken Ministerpräsidenten regiert wird. Eine kleine Aufregungsreserve hat sie sich aber noch zurückbehalten. Da sagt dann, nachdem die Thüringer SPD per Mitgliederentscheid für Koalitionsverhandlungen über Rot-Rot-Grün stimmte, der Chef der CDU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, noch mal Sachen wie diese: »Das hat überhaupt nichts mit Normalität zu tun.« Womit er sogar recht hat. Normal war es bisher, jedenfalls für Kauder, dass die CDU mit dem Finger schnipst, und die SPD springt. Das hat im Bund funktioniert, in Sachsen-Anhalt, letztes Mal auch in Thüringen.

Nun will die Thürínger SPD aber nicht mehr und hat sich immerhin die Mühe einer Basisbefragung gemacht. Mehr Demokratie geht nicht, zumal LINKE und Grüne das Gleiche nach abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen vorhaben. Dem Erfurter CDU-Generalsekretär Mario Voigt aber fällt nichts Besseres ein, als sich darüber zu mokieren, dass nun angeblich weniger als 3500 SPD-Mitglieder entschieden hätten, wie zwei Millionen Thüringer regiert werden sollen. »Auf Dauer«, erklärte er, »ist es nicht akzeptabel, dass Mitgliederentscheide zu Ersatzwahlen werden.«

Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass halbwegs hohe Ämter keineswegs auch zu halbwegs intelligenten Äußerungen verpflichten. Wahrscheinlich hat Voigt nicht mitgekriegt, dass erst vor ein paar Wochen eine Landtagswahl stattgefunden hat, an der nicht nur Sozialdemokraten teilnehmen durften. Dabei hat es die CDU – Achtung, Unionsfreund Voigt! - nicht geschafft, eine Mehrheit zu erreichen. Tja, Pech gehabt. Ach, und wer hat bei der CDU vor fünf Jahren eigentlich beschlossen, dass mit der SPD verhandelt und koaliert wird? Wie, der Landesvorstand? Und zum Schluss noch mal ein Landesparteitag? Auf dem, wenn wir uns richtig erinnern, lumpige 133 Delegierte darüber entschieden haben, wie zwei Millionen Thüringer regiert werden sollen?

Übrigens könnte Voigt, wenn er sich wieder beruhigt hat, mal seinen Parteifreund Peter Tauber anrufen. Der ist Generalsekretär der Bundes-CDU und will den Christdemokraten demnächst Mitgliederentscheide zu wichtigen Fragen verordnen. Vielleicht hat sich das noch gar nicht bis Erfurt herumgesprochen.

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