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Pro Asyl warnt vor Abschottungspolitik

Im kommenden Jahr werden mehr Flüchtlinge in Deutschland erwartet / Menschenrechtsorganisation fordert Integrationskonzept

  • Lesedauer: 3 Min.
Weil mehr Flüchtlinge erwartet werden, sind zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen und Mitarbeiter bei der Asylbehörde geplant. Flüchtlingsexperten warnen: Eine dauerhafte Lösung ist das nicht.

Nürnberg. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat angesichts der Prognose steigender Asylbewerberzahlen für 2015 kritisiert, dass Deutschland sich verstärkt abkapsele. »Die Flucht nach Europa wird zunehmen, und gleichzeitig steigt auch die Bemühung Deutschlands, sich abzuschotten«, sagte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, der dpa. »Wir befürchten, dass Deutschland in Zukunft die Dublin-Verordnung noch stärker durchsetzen wird«, sagte er. Die Verordnung regelt, dass Flüchtlinge nur in dem EU-Land einen Asylantrag stellen dürfen, das sie als erstes betreten haben.

Daraus folge, dass Menschen, die in Deutschland bei Verwandten aufgenommen werden könnten, abgeschoben würden. »Es wäre jedoch vernünftig, diese Menschen aufzunehmen, weil Angehörige sie unterstützen könnten. Das hilft ihnen bei der Integration«, erklärte Burkhardt. Vor allem Jesiden aus Irak, die vor dem IS-Terror flüchten, seien betroffen. Laut Pro Asyl lebt in Deutschland mit etwa 100 000 Menschen die größte Jesiden-Gemeinschaft in Europa. »Menschen gehen dorthin, wo sie Verwandte haben. Die Fluchtbewegung wird sich also Richtung Deutschland orientieren.«

Die geplanten neuen Erstaufnahmeeinrichtungen und zusätzliche Mitarbeiter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge würden zwar die Lage in den Unterkünften kurzfristig verbessern und die Zeit der Asylverfahren verkürzen. »Wir brauchen aber ein Integrationskonzept und nicht ein Konzept, wie wir Obdachlosigkeit vermeiden«, sagte Burkhardt. Schnellere Asylverfahren könnten außerdem auf Kosten der Flüchtlinge gehen, warnte er. »Ein schnelles Verfahren ist nicht immer auch ein gründliches Verfahren.«

Der Migrationsforscher Klaus Zimmermann vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit in Bonn bestätigte: »Zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen bringen Entspannung, aber keine Lösung. Auf Dauer muss die Integration ermöglicht werden, sonst schafft man soziale Unruheherde.« Es sei ein Fehler gewesen, dass die Infrastruktur für Flüchtlinge zurückgefahren worden sei.

Frühe Sprach- und Integrationskurse sowie Wohnungen anstatt Großunterkünfte würden nach Ansicht der Experten helfen, die Menschen zu integrieren und Chancen am Arbeitsmarkt zu eröffnen. »Da jedoch hat die Politik bisher kein Konzept«, sagte Burkhardt.

Das Bundesamt für Migration geht davon aus, dass mehr Asylbewerber nach Deutschland kommen. »Wir rechnen bisher im nächsten Jahr mit 200 000 Erstanträgen und 30 000 Folgeanträgen«, sagte der Präsident des Bundesamtes, Manfred Schmidt. Für 2014 hatte das Amt etwa 200 000 Flüchtlinge vorausgesagt.

Zu chaotischen Zuständen in Erstaufnahmeeinrichtungen und überlasteten Behörden wird es laut Schmidt nächstes Jahr nicht mehr kommen. Er setzt darauf, dass die neuen Maßnahmen greifen und die Lage entspannen. So sollen etwa in den nächsten Monaten zwölf neue Erstaufnahmeeinrichtungen geschaffen werden. dpa/nd

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