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Bahn auf Privatisierungskurs?

Verbände sehen Anzeichen für baldige Abkehr von gemeinwohlorientierten Schienendienstleistungen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Glaubt man Befürchtungen von Verkehrsverbänden und Privatisierungskritikern, stehen noch in diesem Jahr weitere Versuche an, Teile des Deutsche-Bahn-Konzerns meistbietend zu veräußern.

Zu einem Katerfrühstück der besonderen Art lud am am Montag die Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand (GIB) die Presse ein. Der langjährige GIB-Sprecher Carl Waßmuth betonte, dass es nicht etwa die Folgen ausgiebiger Silvesterfeiern sein, die dazu führten, »dass uns der Schädel brummt«. Vielmehr verdichteten sich die Anzeichen, dass die Bundesregierung und die Unternehmensleitung der Deutschen Bahn AG (DB) noch in diesem Jahr mit der Teilprivatisierung der Verkehrs- und Logistiksparten des Unternehmen beginnen wollten.

Waßmuth verwies auf einen Vorratsbeschluss des Bundestages vom Mai 2008 zum Verkauf von zunächst 24,9 Prozent der Anteile, der nach wie vor in Kraft sei und von CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung fortgeschrieben wurde. Zwar sei der seinerzeit geplante Börsengang des Unternehmens aufgrund der Finanzmarktkrise gescheitert und wäre auch derzeit mit hohen Risiken behaftet. Daher sei eher damit zu rechnen, dass die Anteile vom Bund direkt an Investoren verkauft würden, Interessenten gebe es jedenfalls genug, so Waßmuth.

Nach Einschätzung der Initiative spielt die Berufung des früheren Kanzleramtsministers und engen Merkel-Vertrauen Ronald Pofalla (CDU) zum Cheflobbyisten des Konzerns eine zentrale Rolle bei den Privatisierungsplänen. Pofalla habe in dieser Angelegenheit die Strippen gezogen und sei auch für die entsprechenden Passagen im Koalitionsvertrag verantwortlich. Zudem bekleide mit Alexander Dobrindt (CSU) nunmehr ein ausgewiesener Anhänger der Privatisierung das Amt des Bundesverkehrsministers.

Winfried Wolf, Verkehrswissenschaftler und Initiator des Bündnisses Bahn für Alle, sieht auch in der aktuellen Geschäftspolitik der Bahn Hinweise für eine geplante Teilprivatisierung. Die ständigen Preissteigerungen und durchgesickerten Pläne zur Abschaffung der Bahncard 50 beziehungsweise deren Entwertung durch immer neue »Schnäppchenangebote« bedeuteten in letzter Konsequenz eine Abkehr von gemeinwohlorientierten Mobilitätsdienstleistungen. Auch verweigere sich die Bahn alle Vorschlägen, nach dem Vorbild der Schweiz ein integriertes öffentliches Personenverkehrssystems zu entwickeln, das ein einheitliches Tarifsystem und flächendeckenden Taktverkehr von »Hintertupfingen bis zum ICE-Bahnhof« beinhalten würde.

Ein weiteres Indiz ist für Wolf die im Hauruckverfahren noch kurz vor Jahresende vereinbarte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für die Sanierung der maroden Infrastruktur. Diese Kosten lägen auch bei einer Teilprivatisierung vollständig beim Bund, da Netz und Stationen in öffentlichem Besitz verblieben, während die dann teilweise privaten Verkehrsbetreiber davon profitieren würden. In das Bild passe auch die die bereits vor einiger Zeit unter direkter Einflussnahme von Pofalla erfolgte Berufung des bei einer JP Morgan-Tochter tätigen Finanzmanagers Utz-Helmuth Felcht zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden. Wolf und der Mobilitätsforscher Heiner Monheim von der Gruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn haben zudem nach eigenen Angaben von mehreren Aufsichtsräten erfahren, dass das Thema Teilprivatisierung seitdem immer wieder auf der Tagesordnung des Gremiums steht.

GIB und andere verkehrspolitische und privatisierungskritische Gruppen wollen nun schleunigst damit beginnen, das Thema Bahnprivatisierung wieder auf die Tagesordnung zu setzen, denn »die Zeit drängt«, so Wolf. Er geht davon aus, dass das Vorhaben noch 2015 auf den Weg gebracht werden soll, möglicherweise sogar »handstreichartig«. Daher wird eine bundesweite Kampagne vorbereitet.

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