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Gottes Tod und Teufels Beitrag

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 3 Min.
Gott ist wohl wirklich tot. Der moderne Mensch begreift ihn heute als Figur, die in einem dicken Wälzer vorkommt. Als transzendentes Wesen in der Realität akzeptieren wir ihn schon lange nicht mehr. Nur der Teufel hat noch Konjunktur.

Dass Gott tot sei, hat Nietzsche schon in den Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts festgestellt. Man hat ihm später unterstellt, er hätte den Tod dieses Weltenlenkers beschworen. Aber das stimmte nicht. Er war nur Chronist und meinte zu erkennen, dass Gott als der beseelende Gedanke des Abendlandes schon lange keine Rolle mehr spiele. Die Natur- und die Geschichtswissenschaft hätten Gott unmöglich gemacht. Und mit ihm alle Moral, die sich von ihm ableitet. Im Wesentlichen hat sich da bis heute nichts geändert. Gott ist vielleicht sogar noch ein bisschen toter als zu Nietzsches Zeiten. Und so richtig ernsthaft spricht auch keiner mehr von ihm. Selbst Gottgläubigen scheint es manchmal ein wenig peinlich, über ihn zu sprechen und ihr Weltbild mit ihm zu begründen. Denn dass man ethisch sein soll, weil Gott es so will, ist heute kein Argument mehr. Also sagt man es auch nicht so deutlich.

Der Teufel als der große Gegenspieler hat allerdings noch nicht abgewirtschaftet. Er hat es auch leichter. Kommt Gott in jeder Lebenslage lediglich als Gott daher, so hat der Teufel immer verschiedene Rollen in petto. Das liegt in seinem Naturell als Verführer. Ob als Schlange oder als schnöder Mammon – er kann alles sein und ist daher erstaunlich aktuell geblieben. Nur nimmt er heute andere Formen an. Ein Blick auf den aktuellen Spiegel zeigt, wie er heute so aussieht. Derzeit ist er ein griechischer Ministerpräsident. Vor einigen Monaten lief er noch als russischer Präsident durch die Gegend. Manchmal ist er auch irgendjemand von »Die Linke«. Der Teufel ist flexibel. In unseren schnelllebigen Zeiten noch mehr als vorher. Er wechselt die Identitäten und kann synchron mehrere davon haben. Es herrschen fürwahr teuflische Zeiten.

Mag Gott auch tot sein, der Teufel ist nicht totzukriegen. Er ist jener theologische Atavismus, der uns als Gesellschaft geblieben ist. Mit Gott punktet keiner mehr. Aber wenn wir jemanden als Teufel skizzieren können, dann sind wir gleich Feuer und Flamme. Der Teufel hat Konjunktur, denn er ist das unerklärliche Böse. Einer, dessen Boshaftigkeit man nicht mit Argumenten begründen muss. Er ist von Natur aus so. Das erleichtert die Analyse und macht die Sache einfach. Ob nun Tsipras oder Putin: Wenn man sie diabolisiert, dann kann man sich Erklärungsmuster sparen, dann wird alles was sie tun, einfach nur ein ordinärer Akt des Teufels, dessen Boshaftigkeit ist wie sie ist, weil sie in der Veranlagung liegt.

Das plumpe Böse lebt im Teufel weiter. Denn es ist wenig komplex. Keine Naturwissenschaft kann diesem einfachen Glauben etwas anhaben. Gott ist daran verstorben. Aber der Teufel macht einfach weiter, als hätte es Jahrhunderte der Entwicklung und der Aufklärung, des Fortschritts und der Wissenschaft einfach nie gegeben. Er prangt weiterhin in lästiger Regelmäßigkeit von den Covern des Spiegel oder Stern, ziert die Aufmacher der Bildzeitung und winkt aus den Berichten der Tagesthemen. Keine Woche ohne einen Antichristen. Irgendwer taugt immer für diese Rolle. Und wenn es nur der Gewerkschaftsboss der Lokführer ist, der diese »theologische Rolle« einnimmt.

Die Theologie und ihre Kunstfiguren sind halt doch noch verschieden. Die Faszination des Bösen eben. Oder einfach nur Bequemlichkeit. Denn der verteufelte Tsipras ist den Menschen so viel einfacher als Geisterfahrer vermittelbar, als einer, der gute Gründe für sein Wirken hat. Das ist vielleicht der Grund, warum es ihn noch gibt. Gott wurde lästig, weil er mit der Moderne nicht mehr kompatibel war. Aber einen Bösewicht, dem man widerlich finden kann, weil er das Böse symbolisiert, den braucht jede Zeit. Auch unsere moderne Zeiten.

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