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Obama: Rassismus noch nicht verschwunden

Erneut unbewaffneter schwarzer Jugendlicher von der Polizei erschossen / US-Präsident ruft in Selma zu Kampf gegen Diskriminierung auf / Zehntausende gedenken 50. Jahrestags des »Blutigen Sonntags«

  • Lesedauer: 4 Min.

Update 6.50 Uhr: Im US-Bundesstaat Wisconsin ist ein 19-Jähriger von einem Polizisten erschossen worden. Der schwarze Jugendliche habe am Freitagabend in Madison im Bundesstaat Wisconsin einen Polizisten angegriffen und sei dann von diesem erschossen worden, teilte der Polizeichef der Stadt, Mike Koval, mit. Ersten Ermittlungen zufolge habe der Jugendliche aber keine Waffe gehabt. Der Polizist war nach Angaben des Polizeichefs zu dem Jugendlichen nach Hause gegangen, weil dieser verdächtigt wurde, den Straßenverkehr gestört und jemanden geschlagen zu haben. Weil er von drinnen Lärm gehört habe, habe sich der Beamte gewaltsam Zugang zu der Wohnung verschafft. Dort habe der Jugendliche den Polizisten angegriffen, »der seine Pistole gezogen und geschossen hat«.

Nach dem Vorfall versammelten sich Fernsehberichten zufolge dutzende Demonstranten vor dem Haus, die Slogans wie »Das Leben von Schwarzen zählt« riefen. In den vergangenen Monaten hatten mehrere Fälle von tödlichen Schüssen auf Schwarze durch weiße Polizisten die USA erschüttert. Im August war in der Kleinstadt Ferguson der unbewaffnete schwarze Jugendliche Michael Brown von einem weißen Polizisten getötet worden. Eine sogenannte Grand Jury aus überwiegend weißen Laienrichtern kam aber im November zu dem Schluss, dass sich der Polizist nichts zuschulden kommen ließ. Der Fall führte in Ferguson und zahlreichen anderen Städten zu teils gewaltsamen Protesten und löste eine landesweite Debatte über Rassismus und Polizeigewalt aus.

US-Präsident ruft in Selma zu Kampf gegen Diskriminierung auf

Berlin. Zum 50. Jahrestag der blutigen Niederschlagung des Bürgerrechtsmarsches in Selma hat US-Präsident Barack Obama zum Kampf gegen Rassendiskriminierung aufgerufen. »Wir müssen nur die Augen, Ohren und Herzen öffnen um zu wissen, dass die lange Rassengeschichte dieses Landes immer noch ihren langen Schatten auf uns wirft«, sagte Obama am Samstag vor etwa 40.000 Teilnehmern der Gedenkfeier im US-Bundesstaat Alabama.

Obama reiste mit seiner Frau Michelle und seinen Töchtern Sasha und Malia nach Selma. Auch Obamas Amtsvorgänger George W. Bush und dessen Frau Laura kamen zu der Gedenkfeier in der Kleinstadt. In seiner engagierten Rede zollte Obama denen Tribut, die in Selma vor 50 Jahren für die Rechte schwarzer US-Bürger auf die Straße gingen. »Wir sind heute hier versammelt, um sie zu feiern«, sagte der erste schwarze Präsident der USA.

In Selma hatten sich am 7. März 1965 rund 600 Demonstranten für einen Marsch in die Hauptstadt von Alabama, Montgomery, versammelt. Die Polizei stoppte den friedlichen Zug jedoch außerhalb der Stadt an der Edmund-Pettus-Brücke und prügelte die Teilnehmer brutal nieder. Die Ereignisse gingen als »Blutiger Sonntag« in die Geschichte ein.

Zwei Tage später stellte sich der afroamerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King an die Spitze von rund 2000 Demonstranten in Selma. Um eine erneute Konfrontation mit der Polizei zu vermeiden, ließ King die Menge vor der Brücke umkehren. Am 21. März schließlich zog unter dem Schutz der Bundespolizei ein Protestmarsch unter Führung Kings in Montgomery ein. Im August 1965 unterzeichnete der damalige Präsident Lyndon B. Johnson schließlich den Voting Rights Act. Das Gesetz sollte Afroamerikaner davor schützen, aus rassistischen Gründen von Wahlen ausgeschlossen zu werden.

Obama nahm in seiner Rede auch Bezug auf die Ereignisse in Ferguson. In dem Vorort von St. Louis im Bundesstaat Missouri hatte ein weißer Polizist im vergangenen Jahr einen unbewaffneten, 18-jährigen Schwarzen erschossen. Als der Polizist von einer Jury aus überwiegend weißen Laienrichtern freigesprochen wurde, kam es in Ferguson und zahlreichen anderen Städten zu teils gewaltsamen Protesten. Ein Untersuchungsbericht des US-Justizministeriums warf in der vergangenen Woche der Polizei in Ferguson Rassismus und routinemäßige Schikanierung der mehrheitlich schwarzen Bevölkerung vor.

Obama wies die Ansicht zurück, »dass der Rassismus verschwunden ist«. »Wir brauchen nicht den Bericht von Ferguson um zu wissen, dass das nicht stimmt.« Mit Blick auf Pläne einiger Bundesstaaten, die Regeln für die Wahlregistrierung zu verschärfen, warnte der US-Präsident zudem, dass das im Voting Rights Act garantierte Wahlrecht heutzutage wieder in Gefahr sei. »Wie kann das sein?«, fragte Obama. Er forderte die anwesenden hundert Kongressabgeordneten auf, sich in Washington für den Schutz des Wahlrechts einzusetzen.

Nach seiner Rede traf Obama mit Veteranen der Bürgerrechtsbewegung zusammen. Gemeinsam mit seiner Frau, seinen Töchtern und Bush ging die etwa 50-köpfige Gruppe zur Edmund-Pettus-Brücke. Diese ist nach einem einstigen General der Südstaaten-Armee und Mitglied des rassistischen Ku-Klux-Klans benannt. AFP/nd

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