Sanierung mit Kollateralschaden

Pankower Mieter wehren sich gegen Fassadendämmung und Fenstertausch

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Gesobau plant die energetische Sanierung eines Wohnhauses. Unsensibel und unwirtschaftlich, sagen Experten.

Im Juni wollte die Gesobau mit der energetischen Sanierung des Eckhauses Kavalierstraße 19/19a loslegen, doch jetzt musste die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft ihr Projekt um ein Jahr verschieben. Grund: Die Mieter sind mit ihm nicht einverstanden, jedenfalls nicht in der Form, wie es die Gesobau plant. »Der Sanierung würde ein Großteil der historischen Substanz zum Opfer fallen«, monieren sie und haben sich zu einem »Verein zur Bewahrung historisch-wohnkulturell bedeutender Gebäude« in ihrer Straße zusammengeschlossen.

Das 1913 errichtete Haus steht zwar nicht unter Denkmalschutz, wurde aber vom Verein »Denk mal an Berlin« schon zum »Besonderen Denkmal« erklärt. »Es ist ein Beispiel moderner Reformarchitektur von außergewöhnlich hoher architektonischer und handwerklicher Qualität«, heißt es zur Begründung. Diese Qualität sehen die Bewohner durch die Gesobau-Pläne in Gefahr. »Die Schmuckornamente würden hinter einem sechs Zentimeter dicken Dämmputz verschwinden, die profilierten Doppelkasten- durch Plastefenster ersetzt«, so Mieter Matthias Weinhold. Die Zimmerdecken sollen abgehängt werden, so dass die Stuckdecken verschwinden, und der Dienstboteneingang einem Fahrstuhl weichen, »in den kaum ein Kinderwagen passt«.

Um ihrem Anliegen Gehör zu verschaffen, boten die Mieter zum Pressegespräch am Donnerstag prominente Unterstützer auf, so den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, Florian Mausbach, und Volkswirtschaftsprofessor Harald Simons, Vorstand des Forschungsinstituts Empirica. Mausbach erklärte, er habe schon einige Modernisierungswellen erlebt, jetzt gebe es eine neue »mit vielen Kollateralschäden«. So wie der Kahlschlagssanierung der 70iger die behutsame Stadterneuerung folgte, müsse jetzt die notwendige energetische Sanierung in eine behutsame Sanierung umgewandelt werden, forderte er. »Sonst wird sich das Stadtbild total verändern.«

Dafür hatten die Mieter einige abschreckende Beispiele von glattgebügelte Fassaden parat, darunter etliche von der Gesobau. Jascha Braun von der Initiative »Gegen die Zerstörung historischer Fassaden durch Außendämmung« nennt das bereits die »dritte Stadtzerstörung«. Die sich noch nicht mal lohne, jedenfalls nicht in der Kavalierstraße, wie Simons feststellte. »Die eingesparten Energiekosten von 56 Cent pro Quadratmeter reichen nicht, die Investitionen von 2,21 Euro zu refinanzieren. Das würde 44 Jahre dauern, so lange halten Heizung und Fassade gar nicht.«

Wer trägt den Verlust? fragte Simons. Zum großen Teil die Gesobau, da sie die Mieten laut Mietenbündnis mit dem Senat bei 7,56 Euro pro Quadratmeter kappt. Aber auch manche Bewohner, deren Miete teilweise noch unter sechs Euro liegt, müssen sich auf gepfefferte Erhöhungen einstellen. Einer sprach schon von »energetischer Gentrifizierung«. Für die wohnungspolitische Sprecherin der LINKEN, Katrin Lompscher, ist die vereinbarte Mietenkappung deshalb deutlich zu hoch angesetzt. Es gebe zudem Möglichkeiten, sensibler mit dem Haus umzugehen. So sieht das auch Mausbach. »Das Haus hat dicke Wände, das Geld für die Dämmung kann sinnvoller ausgegeben werden.«

Die Gesobau verwies darauf, dass sie »weitestgehend denkmalgerecht« vorgehe und das Sozialplanverfahren eine finanzielle Überforderung der Mieter ausschließen würde. Das allerdings ist jetzt gestoppt, stattdessen wird den Mietern mit Klage gedroht, wenn sie der Modernisierung nicht zustimmen.

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