Dialog zur städtebaulichen Zukunft der Stadtmitte begonnen

Auftaktveranstaltung des Senats im »bcc« zieht hunderte Bürger an / Kuratorium soll für fairen und transparenten Ablauf sorgen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Senat hat gerufen und rund 600 Bürger haben sich online gemeldet, um zu beraten, wie die städtebauliche Zukunft des Areals zwischen Stadtschloss und dem Bahnhof Alexanderplatz aussehen soll.

Einige Hundert haben am Samstag den Weg zur Auftaktveranstaltung in das Kongresszentrum am Haus des Lehrers eingefunden und hören sich an, wie der Senat sich den Prozess nun genau vorstellt. »Ich versichere: Wir sind ergebnisoffen«, leitet Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) die Veranstaltung ein. Er hegt die Hoffnung, dass ein gemeinsames Lernen und vor allem ein gegenseitiges Zuhören das Verfahren prägt, das bis Jahresende abgeschlossen sein soll. »Wenn dort Wohnhäuser sind, wer kann es sich leisten, dort zu wohnen?«, fragt Geisel. »Wir haben Kriminalität auf dem Platz - auch weil er so ist, wie er ist«, stellt er fest. Bei allem solle es nicht ums Gewinnen gehen, Dialog sei vielmehr aufeinander zuzugehen.

Das Publikum ist durchaus skeptisch. »Anfang der 90er Jahre gab es schon mal ein Desasterverfahren«, erinnert eine ältere Anwohnerin an die hochfliegenden Hochhauspläne für den Alexanderplatz. Auch mit dem vor kurzem fertiggestellten Geschäftshaus gegenüber des Cubix-Kinos, von ihr wahlweise als »Sargobjekt« oder »schwarzer Klopper« bezeichnet seien auf dem Areal bereits Fakten geschaffen worden. Kurzum: Sie wolle sich nicht »verarschen« lassen. Trotzdem habe sie »halbwegs Vertrauen« in das Verfahren. »Die Pariser könnten sich überhaupt nicht vorstellen, das Gebiet rund um den Eiffelturm zu bebauen«, sagt sie die Anwohnerin. Dafür erhält sie Applaus und erntet zugleich leidenschaftliche Buhrufe. Der Dialog wird sicher nicht einfach.

Patrick Knopke steht vor dem im Foyer aufgestellten Stadtmodell, das auch die nach wie vor gültigen Hochhauspläne für den Alex darstellt. Er wohnt ein bisschen weiter weg an der Karl-Marx-Allee. »Ich war erst einmal für die Freihaltung des Gebiets, inzwischen kann ich mir eine Bebauung in gewissen Bereichen durchaus vorstellen«, sagt er. Das Marx-Engels-Forum wünscht er sich jedoch weiterhin als Grünfläche, allerdings deutlich aufgewertet, »vielleicht auch mit einem Wasserlauf«. Er hofft, dass der Senat aus den Fehlern vom Tempelhofer Feld gelernt hat. »Wenn das wieder so wird«, sagt er, hält inne, »das kann er sich eigentlich gar nicht leisten.«

Für einen fairen und transparenten Ablauf soll das 14-köpfige »Kuratorium Berliner Mitte« sorgen. »Wir sind die Wächter des Prozesses«, sagt Johanna Schlaack von der Technischen Universität (TU). Die Sitzungen liefen durchaus kontrovers aber konsensorientiert, berichtet sie. »Es gibt durchaus verschiedene Vorstellungen, die in den letzten Jahren kollidiert sind«, sagt Tilman Heuser vom BUND. Er betreut auch das Dialogverfahren, dass nach dem Volksentscheid zur Zukunft des Tempelhofer Feldes initiiert wurde. Stefan Richter sitzt für die Stiftung Zukunft Berlin im Gremium und prescht mit Gedanken vor. »Wir wollen die Gegend vom Durchgangsort zum Zielort entwickeln«, sagt er und spricht über Vernetzungen mit Hackeschem Markt und Märkischem Museum. Dafür erntet er Augenrollen bei anderen Mitgliedern. Melanie Bähr von der IHK schwebt wiederum ein »Schaufenster für smarte Technologien« vor.

Katrin Lompscher, Stadtentwicklungsexpertin der Linksfraktion, hofft, dass das Dialogangebot ernst gemeint ist. Der Senat müsse allerdings auch klar darlegen, worüber entschieden werden könne. Ein ernsthaftes Problem sei die Barrierewirkung der großen Magistralen. »Bei einer künftigen Gestaltung Stadtgeschichte gerecht zu werden bedeutet, mit Souveränität und Ehrlichkeit an alle Epochen heranzugehen«, sagt sie. Einen entsprechenden Antrag, der neben einer Transparenz des Verfahrens auch den Erhalt der Grünflächen vorsieht, bringt die Fraktion demnächst ins Parlament ein. Ganz neue Töne gibt es aus der CDU: Als großen Erfolg für die Fraktion bezeichnet deren stadtentwicklungspolitischer Sprecher Stefan Evers das Verfahren. Ob das ein gutes Omen ist?

stadtdebatte.berlin.de

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