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Ausgerichtet nach Mekka

Evangelische Kirchengemeinde richtet muslimisches Gräberfeld ein

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Immer mehr Muslime wollen in ihrer Heimatstadt Berlin beigesetzt werden. Doch dafür gibt es kaum Möglichkeiten. In Schöneberg sollen rund 350 neue Gräberfelder entstehen.

Der Zustand einer Gesellschaft lässt sich am Umgang mit ihren Toten ablesen, heißt es. Somit sollte sich an der Friedhofskultur ablesen lassen, wie in der Gesellschaft die Integration zum Beispiel der Muslime gelungen ist. In Berlin gibt es demnach noch einiges zu tun.

Bisher gibt es zwei Friedhöfe mit speziell ausgewiesenen Grabfeldern für islamische Bestattungen: am Columbiadamm nahe des Tempelhofer Feldes sowie im Spandauer Ortsteil Gatow. Beides sind städtische Friedhöfe, der eine ist praktisch voll und nach dem Volksentscheid zum Tempelhofer Feld nicht erweiterbar, der andere in Randlage und deshalb nicht sehr beliebt, wie Christian Gaebler sagt, der als Staatssekretär für Stadtentwicklung zuständig ist für den Friedhofsentwicklungsplan.

Etwa 200 Bestattungen nach islamischen Ritus finden derzeit jährlich in Berlin statt, die Zahl der »normalen« Beisetzungen von Muslimen ist unbekannt. »Doch die, die hier ihre Heimat gefunden haben, wollen hier auch ihre Gedenkkultur leben«, sagt Gaebler. Bis vor wenigen Jahren ließen noch 70 Prozent der einstigen türkischen Gastarbeiter oder arabischen Familien ihre Angehörigen in ihren Herkunftsländern beisetzen. Dieses Verhältnis kehre sich langsam um, weiß Isikali Karayel, Chef eines Kreuzberger Bestattungsunternehmens.

Künftig wird er auch auf einem Friedhof der evangelischen Zwölf-Apostel-Gemeinde in Schöneberg zu tun bekommen. Als erste Gemeinde stellt sie 346 Grabstellen für islamische Bestattungen zur Verfügung. Zwar gab es hier auch bisher schon Bestattungen von Menschen muslimischen Glaubens, doch konnten die Gräber nur selten nach Mekka ausgerichtet werden. Zudem schreibt das Berliner Bestattungsgesetz vor, dass für sarglose Bestattungen gesonderte Gräberfelder ausgewiesen werden müssen. Es gehe nicht darum, dass Muslime nicht neben Christen liegen wollen, sagt Karayel, »aber ein schräges neben einem graden Grab sieht einfach blöd aus«.

Ferrit Caliskan vom Vorstand der Semerkand Moscheegemeinde ist froh über dieses Angebot. »Unsere Kinder wollen nicht mehr in der Türkei beigesetzt werden, sondern dort, wo sie heute leben«. Seit vielen Jahren arbeite man mit der Zwölf-Apostel-Kirchgemeinde schon zusammen, »schließlich sind wir Nachbarn«. Die evangelische Gemeinde sieht ihren Schritt als Teil des interreligiösen Dialogs. Der hatte auch gute familiäre Voraussetzungen, »denn unser früherer Pfarrer war mit einer Muslimin verheiratet«, so der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, Carsten Schmidt. Die Bereitstellung der Grabflächen sei möglich, da für den christlichen Teil des Friedhofes wegen des Trends zur Urnenbeisetzung weniger Fläche benötigt wird. Berührungsängste mit den Andersgläubigen hat man in der Gemeinde jedenfalls nicht: »Im Jenseits kommen wir sowieso zusammen.«

Laut Gaebler werden von den 1000 Hektar Friedhofsflächen in Berlin nur noch 750 benötigt. Der Rest werde frei für Grün-, Wohnungsbau- oder eben auch frei für Flächen für islamische Friedhöfe. So sollen ab 2016 auf dem landeseigenen Friedhof Ruhleben 125 Grabstellen eingerichtet werden. Auf dem Friedhof Seestraße in Mitte sieht Gaebler weitere Möglichkeiten, auch in Pankow in Schönholz. Der Evangelische Friedhofsverband Stadtmitte plant die Einrichtung eines Grabfeldes für die Alevitische Gemeinde Berlins auf dem St. Thomas-Friedhof in Neukölln. Auch die Katholische Kirche stehe dem Anliegen aufgeschlossen gegenüber, so Gaebler. »Ziel ist ein Angebot für islamische Bestattungen in der ganzen Stadt.«

Ein eigenständiger, von Muslimen getragener Friedhof ist allerdings noch nicht in Sicht. Es müsse sich erst ein Träger finden, der bereit ist, einen solchen Friedhof, der möglichst allen muslimischen Glaubensrichtungen offen steht, zu betreiben, heißt es aus der Senatsverwaltung.

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