Weitgehend wirkungsloser Paragraf

Juristische Schwierigkeiten bei der tatsächlichen Ahndung von Stalking

  • Heike Hellebrand
  • Lesedauer: 2 Min.

Mit der Einführung des Stalkingparagrafen wurde ein Tatbestand geschaffen, um einen besseren Opferschutz zu gewährleisten und Strafbarkeitslücken zu schließen. Bis dahin konnten die Täter nur wegen einzelnen Handlungen wie Bedrohung, Hausfriedensbruch und Körperverletzung belangt werden. In den überwiegenden Fällen handelt es sich um männliche Ex-Partner, die ihre ehemalige Partnerin terrorisieren. Der Begriff der »schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung« ist aufgrund seiner Unbestimmtheit auch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, da das Opfer selbst die Strafbarkeit des Täters zu bestimmen hat und dies nicht unbedingt seinem Schutz dienen muss. Ein sensibler Mensch wird vermutlich eher in seiner Lebensweise beeinträchtigt sein als ein eher gleichgültiger Mensch. In der Folge werden 70 Prozent aller Verfahren eingestellt und die Rechtsprechung ist uneinheitlich.

Von rund 25 000 Anzeigen jährlich kommt es nur bei etwa 500 zu einem Gerichtsverfahren. Das Erfolgserfordernis führt in erster Linie dazu, dass ausnehmend sehr gravierende Fälle von Stalking zu objektiv nachvollziehbaren Einschränkungen führen. Stalking ist eine Reihe von vielen strafbaren und auch vermeintlich sozial verträglichen Einzelhandlungen und damit ein Sukzessivgeschehen, bei dem es auch um die Abfolge der Ereignisse geht. Es geht in der Summe darum, den Paragrafen so zu verändern, dass der Straftatbestand an den Handlungen des Täters festgemacht wird und nicht an der Befindlichkeit des Opfers. CDU und SPD haben sich laut Koalitionsvertrag darauf geeinigt, im Interesse der Opfer künftig die »tatbestandlichen Hürden für eine Verurteilung« zu senken. Zudem vereinbarten die Koalitionäre, »Maßnahmen zur Kontrolle der Einhaltung von Kontakt- bzw. Näherungsverboten« zu erarbeiten.

Die Innenminister der Länder Bayern und Hessen haben im Sommer vergangenen Jahres im Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Stalkingparagrafen eingebracht. Getan hat sich seither noch nichts. Heike Hellebrand

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