Die Wayúu zählen nicht

Der Film »La Buena Vida - das gute Leben« schildert den Kampf eines Dorfes in Kolumbien gegen den Kohlebergbau

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.
Was das indigene Volk der Wayúu unter gutem Leben versteht, hat mit Raubbau an der Natur nichts zu tun. Der Film »La Buena Vida« dokumentiert ihren Konflikt mit dem Bergbaukonzern Cerrejón.

Während in Deutschland Kohlezechen schließen, wird andernorts der Abbau kräftig ausgeweitet - irgendwo muss er ja schließlich herkommen, der Brennstoff für die Kohlekraftwerke, die auch in Deutschland weiter für Elektrizität und Wärme sorgen. Den Preis für die gesicherte Stromversorgung in Berlin, Hamburg und München zahlen nun andere.

In Kolumbien, wo ein Konsortium um das Schweizer Unternehmen Glencore nahe der venezolanischen Grenze die mit 700 Quadratkilometern größte Kohlegrube der Welt betreibt, trifft es die üblichen Verdächtigen: den Primärwald und die indigenen Dorfgemeinschaften, die darin leben.

Die Umsiedlung der Bevölkerung wurde teils auf so offen rechtswidrige Weise vorgenommen, dass das dabei praktizierte Zusammenspiel von Konzern und kolumbianischer Armee international zu Protesten führte. Mittlerweile sucht man sich friedlich zu einigen und lässt die Dörfler die »Freiwilligkeit« ihrer Zwangsumsiedlung beurkunden. Die Wayúu-Gemeinde im Walddorf Tamaquito will das nicht mit sich machen lassen. Unter ihrem Vorsteher Jairo Fuentes setzt sie sich zur Wehr, pocht auf feste Zusagen, nicht nur schöne Worte. Denn dass dem Konzern nicht zu trauen ist, der hochwertige Neubauten und reichlich Wasser für Ackerbau und Viehzucht verspricht, dazu Strom aus der Steckdose und was der Versuchungen eines (von den Wayúu gar nicht angestrebten) modernen Lebens mehr sind, lernten die Dörfler aus den Erzählungen derer, die vor ihnen gingen.

Mit einem guten Leben hat die permanente Drangsalierung durch den Konzern ohnehin nur noch wenig zu tun. Das gute Leben, »La buena vida«, das hatte eigentlich schon ein Ende, als der fortschreitende Kohletagebau die Landschaft rund um Tamaquito zu zerstören begann und umweltbedingte Erkrankungen zunahmen. Aber noch lässt sich von Fluss und Wäldern leben - jedenfalls so lange, bis der Konzern angekündigte Pläne wahr macht und den Fluss umleitet. Am geplanten Siedlungsort Neu-Tamaquito aber pfeift der Wind, es ist heiß, staubig und trocken, das Wasser wegen hoher Mineralkonzentration für Menschen, Tier und Pflanzen ungenießbar und die Dörfler laufend in Gefahr, zwischen die Fronten von Armee, FARC-Guerilla und Schmugglerbanden zu geraten.

Aber wo mit Rohstoffen Geld zu machen ist und nur Wachstum um jeden Preis zählt, da können die Einheimischen noch so viel richtig machen, können die Nerven bewahren, selbstbewusst verhandeln und sich vor Konzern, Armee und Guerilla gleichermaßen hüten. Am Ende werden sie trotzdem den kürzeren ziehen, schon weil Bulldozer, Bagger und die drohende Wasserknappheit dem Jagen und Fischen ein Ende bereiten. Der Konzern aber lässt die Wayúu sitzen, kaum dass sie die Umsiedlungserklärung unterschrieben haben, und vom zuständigen Ministerium ist schon deshalb keine Hilfe zu erwarten, weil Kohle für Kolumbien eine wichtige Einnahmequelle ist.

Dokumentarfilmer Jens Schanze hatte bereits zwei Filme über den deutschen Braunkohletagebau und seine Umsiedlungen gedreht, bevor er über eine Schweizer Nichtregierungsorganisation auf das Exportland Kolumbien stieß. Was er dort filmte, ist ein Skandal, der hierzulande Folgen haben sollte. Wie er es filmte, hat formal die selbe Unaufgeregtheit und Selbstverständlichkeit wie das Leben der Wayúu in den guten Zeiten, bevor sich in ihren Wäldern Kohle fand. »La buena vida« kommt mit wenig Musik aus und ganz ohne Kommentar, es sind allein Situation und Menschen, die hier wirken. Das gute Leben jedenfalls, das haben jetzt andere: ein Drittel der Produktion der Grube von El Cerrejón geht nach Deutschland. Auf Kosten der Wayúu.

»La buena vida - das gute Leben« feierte seine Deutschland-Premiere auf dem DOK.fest München und läuft seit Mai im Kino.

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