Bis Austerity Geschichte ist

Sechs Wochen nach der Wiederwahl der Tories fand in London die größte Demonstration gegen Spardiktat und Sozialabbau seit Jahren statt

  • Hamid Mohseni, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Protest gegen Kürzungen, Solidarität mit SYRIZA: In Großbritannien gehen Zigtausende auf die Straße. Nicht nur in Glasgow wünschte man sich dabei wenigstens »einen Bruchteil des Mutes Griechenlands«.

Unter dem Motto »End Austerity Now« sind am Samstag nach Angaben der Veranstalter etwa 250 000 Menschen gegen den Sozialabbau der konservativen Regierung durch Englands Hauptstadt gezogen. Aufgerufen hatte das breite Bündnis »People’s Assembly against Austerity«, unter den Unterstützern befanden sich neben zahlreichen Einzelpersonen über 100 Parteien, Gewerkschaften, NGOs und linke Gruppierungen. Auch in Liverpool und Glasgow fanden Kundgebungen und Demonstrationen gegen die Kürzungspolitik statt.

Eine Durchsuchungswelle am Vorabend der Demonstration hatte für große Aufregung gesorgt. Mindestens drei Aktivisten aus linken Gruppen wurden dabei präventive Platzverweise ausgesprochen, weil sie schon in der Vergangenheit bei politischen Aktionen Straftaten verübt haben sollen. Lisa McKenzie von der anarchistischen Gruppe »Class War« sieht dahinter »eine klare politische Motivation« sowie »Angst vor Wellen von direkten Aktionen in der ganzen Stadt«. Tatsächlich verlief die Demonstration überwiegend friedlich.

Die konservativen Tories hatten bei den Parlamentswahlen am 7. Mai eine hauchdünne absolute Mehrheit errungen. Ohne Koalitionspartner beschleunigen sie ihre ohnehin scharfe Sanierungspolitik der britischen Wirtschaft auf Kosten des Sozialwesens.

Ein zentrales Thema der Demonstration war daher die sich zuspitzende Verteilung der Vermögen innerhalb der britischen Bevölkerung zu Gunsten weniger. Natalie Bennett, die Vorsitzende der Green Party, beklagt sich: »Austerity lässt die Armen für die Gier und das Versagen der Banker bezahlen«. Dagegen soll eine Neuausrichtung in der Wirtschaftspolitik helfen; anstatt weiter nur zu kürzen solle die Kaufkraft gestärkt werden: »Was dieses Land braucht, ist ökonomischer Auftrieb von unten, wir müssen das Blut wieder zum Pumpen bringen«, sagt die aus Wales stammende Sängerin Charlotte Church. Eine weitere Kritik auf den Demonstrationen richtete sich gegen die zunehmenden Angriffe der Regierung auf Gewerkschaften und das Streikrecht. Der Schauspieler und linke Aktivist Russel Brand möchte an vergangene Jahre anknüpfen: »Ich erinnere mich an starke Gewerkschaften und soziale Verantwortung in diesem Land«. Ebenfalls betroffen ist der Gesundheitssektor NHS, der seit Jahren immer weiter privatisiert wurde - verbunden mit Arbeitsplatzabbau und Serviceverlust. »Gesundheit ist ein Menschenrecht und nichts für Profitmacherei«, mahnt der Anwärter für den Vorsitz der in der Wahl geschlagenen Labour-Partei, Jeremy Corbyn.

Überdies gab es zahlreiche Solidaritätsbekundungen mit der griechischen Linkspartei SYRIZA, die sich auf europäischer Bühne der Austerity-Maßnahmen entgegenstellt. Auf einem Transparent in Glasgow hieß es: »Hätten wir einen Bruchteil des Mutes Griechenlands gegen unsere Starrköpfe oben, würde die Regierung fallen«.

Aus der Demonstration heraus gab es zudem einige kleine Aktionen. Basisgewerkschaften organisierten am Westminster Council Streikposten und direkte Aktionen gegen die Kriminalisierung von Zeitarbeitern im Putz- und Reinigungssektor.

Sam Fairbairn, ein Sprecher des Bündnisses »People’s Assembly«, erklärte die Massendemonstration zum Startpunkt für eine »Kampagne an Protest, Streiks, direkten Aktionen und zivilen Ungehorsams überall im Land - bis Austerity Geschichte ist«.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal