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Die Liste der falschen Hoffnungen

Politisch umstritten, ökonomisch überzogen: Privatisierungen als »Grundstein« des Memorandums

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 4 Min.
Die griechische Regierung soll über Privatisierungen Milliarden einnehmen, um damit Kredite zu begleichen. Profitieren wollen davon auch jene, deretwegen die Schulden gemacht wurden.

Die Eurogruppe nennt es »ehrgeizig«, in den Auflagen für Griechenland ist von einem »ambitionierten« Programm die Rede - gemeint sind die Privatisierungsforderungen der Gläubiger. Vor allem auf Druck des Bundesfinanzministeriums war die Veräußerung von öffentlichem Eigentum zu einem zentralen Punkt des dritten Memorandums gemacht worden: 50 Milliarden Euro sollen Verkauf, Verpachtung, Vermietung oder sonst eine Art einbringen, den staatlichen Besitz zu versilbern. 50 Milliarden, die zu einem beträchtlichen Teil der Begleichung von Schulden zugute kommen sollen.

Doch der »Grundstein des neuen ESM-Programms«, wie die Eurogruppe den Treuhandfonds nennt, ist mürbe. Politisch sind die Privatisierungen umstritten, weil sie im günstigsten Fall dem Staat einmal Geld bringen - danach aber keine öffentliche Kontrolle mehr über Firmen, Immobilien und anderes möglich ist, was in der Regel auf längere Sicht sogar die öffentlichen Kassen zusätzlich belastet. Ökonomisch sind die Verkaufsforderungen der Gläubiger überzogen - das zeigen schon die bisherigen Erfahrungen.

Seit 2011 ist der Hellenic Repub-lic Asset Development Fund HRADF für die Privatisierungen zuständig. Bis 2015 sollte er 14 Milliarden Euro einnehmen - zusammengekommen sind bisher 3,6 Milliarden. Experten machen dafür bürokratische und politische Gründe verantwortlich, etwa häufige Umbesetzungen in der Führung des Fonds und die Tatsache, dass SYRIZA nach Regierungsübernahme viele Privatisierungen zunächst auf Eis gelegt hatte.

Doch es gibt andere Ursachen. Der in Athen lebende Ökonom Jens Bastian zum Beispiel hat gegenüber »Zeit online« unlängst auf die Krise verwiesen, welche die zu erzielenden Preise in den Keller gedrückt hat. Auch gibt es in Griechenland kaum Akzeptanz für Privatisierungen - gegen den Verkauf der Wasserbetriebe von Thessaloniki und Athen etwa hatte es breiten Protest gegeben. Inzwischen hat das Oberste Gericht entschieden, die Wasserversorgung sei ein unantastbares öffentliches Gut, daher dürften nur Minderheitsanteile veräußert werden.

Ein Problem des Privatisierungskurses ist praktisch in seiner DNA angelegt: Es geht darum, schnelles Geld zu machen - um damit Schulden zu begleichen, die Athen machen musste, nicht zuletzt um Banken zu retten. Die vier wichtigsten Geldinstitute in Griechenland wurden praktisch »not-sozialisiert«: Der Staat hält über eine Zweckgesellschaft Anteile an den Geldhäusern.

Angesichts der staatlichen Gesamtverbindlichkeiten von weit über 300 Milliarden Euro nehmen sich die angepeilten 50 Milliarden, die mit Privatisierungen laut drittem Memorandum eingenommen werden sollen, aber sogar noch gering aus.

Was tatsächlich an Einnahmen in einem bestimmten Zeitraum erwartet wird, ist noch weniger: 6,4 Milliarden bis einschließlich 2017. Vom Euro-Gipfel von Brüssel Mitte Juli 2015 hieß es sogar, der Internationale Währungsfonds, die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank würden nur drei bis fünf Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren für einen realistischen Wert halten. Später tauchte ein Papier des IWF auf, in dem bis 2017 lediglich mit einem Erlös von 1,5 Milliarden Euro gerechnet wird.

Im Memorandum selbst sind »unumkehrbare Schritte für den Verkauf der Regionalflughäfen« gefordert - was dem deutschen Konzern Fraport nun 14 gut laufende griechische Regionalflughäfen beschert. Detaillierte Angaben über weitere Verkaufsprojekte finden sich in den zwei Anhängen zu dem umstrittenen Deal über das neue Kreditprogramm. 23 Punkte umfasst eine Verkaufsliste - vom Gasnetzbetreiber DESFA über die griechische Eisenbahn und die Egnatia-Autobahn bis zum Reitsportzentrum Markopoulo. Auch der frühere Athener Flughafen Hellinikon steht auf der Liste, über sechs Millionen Quadratmeter in Toplage. Hier will Lamda Development mit Partnern aus China und Abu Dhabi Milliarden in Beton investieren - der Deal bringt dem Treuhandfonds 915 Millionen Euro.

Während einerseits von »Europas größtem Immobilienprojekt« die Rede ist, regt sich seit längerem Widerstand gegen den Verkauf - denn auf dem verlassenen Airport-Gelände war unter anderem die Metropolitan Community Clinic untergekommen, eine Solidaritätsklinik. Nicht zuletzt SYRIZA hatte gefordert, auf einem der letzten großen zusammenhängenden Grundstücke Athens einen Park einzurichten.

Damit wäre es wohl vorbei, wenn Lamda seine Pläne umsetzen kann. Mehr noch: Lamda gehört zum Teil zur Latsis-Gruppe von Spiros Latsis, der als reichster Mann Griechenlands gilt - und kräftig von den »Rettungsmilliarden« profitierte, die zurückzuzahlen Griechenland nun öffentliches Eigentum verkaufen soll. Latsis ist an der EFG Eurobank beteiligt, die 2012 mit 4,2 Milliarden Euro gestützt werden musste.

Linkspartei-Chef Bernd Riexinger hat erhebliche Skepsis, ob Griechenland mit Privatisierungen einen wirtschaftlichen Aufschwung schaffen kann. Selbst der griechische Oppositionsführer Evangelos Meimarakis von der konservativen Nea Dimokratia bezweifelt, dass das Verkaufsziel von 50 Milliarden Euro erreicht wird: In der aktuellen Wirtschaftslage »ist es ausgeschlossen, Staatseigentum zu angemessenen Preisen zu veräußern.« So sieht es auch der grüne Europapolitiker Sven Giegold: »Es bleibt das Geheimnis der Institutionen, wie 50 Milliarden Euro zusammen kommen sollen.«

»Privatisierungen können dazu beitragen, die Wirtschaft effizienter zu gestalten und die Staatsverschuldung zu verringern«, heißt es im dritten Memorandum der Gläubiger. Ob der Verkauf auch den öffentlichen Interessen dient, fragt das Memorandum nicht.

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