Koalition plant radikale Kürzungen

Schwarz-rotes Kabinett verschärft sein Gesetz zur Flüchtlingspolitik deutlich

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Im November sollen schärfere Regeln für Asylbewerber in Kraft treten. Die Union debattiert bereits über weitere Maßnahmen.

Das Bundeskabinett hat Gesetzesänderungen zur Flüchtlingspolitik auf den Weg gebracht, nach denen Länder und Kommunen mehr Geld bekommen, Verfahren beschleunigt werden und das Asylrecht weiter verschärft wird. Es ist geplant, dass drei weitere Länder - Albanien, Kosovo und Montenegro - als »sichere Herkunftsstaaten« eingestuft werden, um Flüchtlinge von dort schneller in ihre Heimat abzuschieben. Schutzsuchende sollen länger in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben und dort möglichst nur Sachleistungen bekommen. Die Geldauszahlung soll nur einen Monat im Voraus möglich sein.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte, dass der Entwurf vor allem mit Blick auf sogenannte Dublin-Flüchtlinge verschärft worden sei. Diesen stehe laut Gesetzentwurf künftig nur noch eine Notversorgung zu. Zuvor war von diesen Einschränkungen nur für unmittelbar ausreisepflichtige Flüchtlinge die Rede gewesen, etwa nach Ablehnung eines Asylantrages. Vom Dublin-System betroffene Flüchtlinge sind diejenigen, für deren Asylverfahren eigentlich der erste EU-Staat zuständig ist, den sie auf ihrer Flucht erreicht hatten.

Barbara Cárdenas, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Hessischen Landtag, nannte die geplanten Leistungskürzungen »klar verfassungswidrig«. Das Bundesverfassungsgericht habe eine Relativierung der Menschenwürde aus migrationspolitischen Erwägungen untersagt. »Ein solches Aushungern von Schutz suchenden Menschen, um sie zur Ausreise zu nötigen, darf es nicht geben«, forderte Cárdenas.

Im Bundesrat ist die Bundesregierung auch auf Stimmen von Ländern angewiesen, in denen die Grünen mitregieren. Grüne Landespolitiker hatten bereits ihre Zustimmung zu dem ursprünglichen Kompromiss in der Asylpolitik signalisiert. Parteichefin Simone Peter kritisierte zwar die Änderungen der Bundesregierung, gab sich aber bezüglich des Abstimmungsverhaltens der Länder zurückhaltend. »Die einzelnen Länder und Kabinette werden dann entscheiden, wie sie sich im Bundesrat zum Gesetzentwurf verhalten«, sagte sie.

Die schwarz-rote Koalition will die Pläne schnell durch Bundestag und Bundesrat bringen. Das Parlament soll am Donnerstag erstmals darüber beraten und die Länderkammer möglichst Mitte Oktober entscheiden, damit die Gesetzesänderungen Anfang November in Kraft treten können.

Unionspolitikern gehen die Verschärfungen nicht weit genug. Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive sollten künftig an den Grenzen abgewiesen werden, sagte Gerda Hasselfeldt, Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Dazu müsse das Flughafenverfahren auch auf die Landgrenzen ausgeweitet werden. Hasselfeldt zufolge prüft das Bundesinnenministerium, ob dies machbar ist. Flüchtlinge, die Chancen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt haben, sollen nach dem Willen konservativer Politiker hingegen ein Dasein als Niedriglöhner fristen. Für sie solle der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 pro Stunde abgesenkt werden, forderten Unionsvertreter. Allerdings ist die Forderung unter Christdemokraten umstritten. Die SPD ist dagegen. »Wer solche Vorschläge macht, spielt die Armen aus Deutschland gegen die Armen aus Syrien aus«, sagte Parteichef Sigmar Gabriel.

Für die Pegida-Bewegung sind Flüchtlinge und Journalisten Feindbilder. Am Montagabend wurden zwei Reporter auf einer Kundgebung der Organisation in Dresden von Unbekannten attackiert. Einem Journalisten wurde ins Gesicht geschlagen, der andere wurde getreten. Beide wollen Anzeige erstatten. Pegida verzeichnete Zulauf. Vor der Semperoper kamen zwischen 7000 und 10 000 Anhänger zusammen.

Derweil kommt es in überfüllten Flüchtlingslagern immer wieder zu Auseinandersetzungen. Gut sechs Wochen nach dem Gewaltausbruch in der Suhler Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge hat die Polizei nun in Thüringen 15 Verdächtige festgenommen.

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