Bauern protestieren gegen Gläubiger-Auflagen

Mehr Steuern, weniger Vergünstigungen: Tausende Landwirte auf der Straße / SYRIZA-geführte Regierung will nächstes Gesetzespaket durchs Parlament bringen

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Kurz vor einer neuerlichen Abstimmung über ein Gesetzespaket mit Gläubiger-Auflagen haben in Athen Tausende Landwirte gegen die geplante Streichung ihrer Steuervergünstigungen protestiert. Etwa 6.000 Bauern, die meisten von ihnen von der Insel Kreta, versammelten sich auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament. Die Polizei setzte Tränengas ein, die Bauern bewarfen die Polizeikräfte mit Orangen und Plastikflaschen.

»Wir protestieren gegen die Steuererhöhungen, die zum langsamen Aussterben der Landwirtschaft in Griechenland führen werden«, sagte der 22-jährige Bauer Manolis Lambrakis. All diese Maßnahmen ließen den Bauern keine Chance mehr, Gewinne zu erzielen, sagte Lambrakis. Auf Plakaten forderten die Landwirte stattdessen Unterstützung, etwa eine geringere Mehrwertsteuer auf landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel.

Die Regierung unter Alexis Tsipras hatte in den Verhandlungen mit den Gläubigern zugesagt, die Einkommensteuer für Landwirte von derzeit pauschal 13 auf 26 Prozent zu verdoppeln, ihre Rentenbeiträge zu erhöhen, Vergünstigungen bei der Dieselbesteuerung zu streichen sowie eine neue Weinsteuer zu erheben. Diese Auflagen, die im Gegenzug für das dritte Kreditprogramm umgesetzt werden müssen, sind hoch umstritten.

Das Parlament in Athen soll am späten Donnerstagabend im Eilverfahren über ein weiteres Gesetzespaket mit Gläubiger-Auflagen abstimmen. Die Billigung ist Voraussetzung, damit Auszahlungen aus dem Kreditprogramm in Gesamthöhe von zwölf Milliarden Euro erfolgen - zehn Milliarden davon sind für die Rekapitalisierung von Banken. Diese haben unter anderem Probleme mit faulen Immobilienkrediten.

In dem zur Abstimmung stehenden Gesetz ist unter anderem eine Sondersteuer für griechischen Wein in Höhe von 40 Cent pro Liter vorgesehen. Auch die Glücksspiele sollen mit neuen Steuern belastet werden. Geplant ist auch, dass Schuldner, die ihre Kredite nicht bedienen, ihr Haus verlieren können. SYRIZA hat sich dafür eingesetzt, dass es einen sozialen Schutz gibt. Laut Ministeriumsquellen sieht der Kompromiss so aus, dass 60 Prozent der überschuldeten Haushalte vor Zwangsräumungen geschützt bleiben. Athen wollte zunächst einen Pfändungsschutz für 70 Prozent der Betroffenen durchsetzen. Allerdings dürfen die insolventen Familien nur unter strikten Bedingungen in ihren Wohnungen bleiben. In vier Jahren soll die nun gefundene Regelung überprüft werden.

Zuvor hatte es laut der griechischen Nachrichtenagentur ANA geheißen, 25 Prozent der ärmeren Bürger würden vor einer Beschlagnahmung ihrer Wohnung geschützt werden, bei 35 weiteren Prozent der Kreditinhaber, die nicht zurückzahlen können, soll der Schutz von Einkommen und Vermögensverhältnissen abhängig sein. Die Regierung will zudem einen Fonds mit einem Volumen von 100 Millionen Euro einrichten, aus dem arme und erwerbslose Wohnungskreditnehmer unterstützt werden sollen.

Nur etwa 25 Prozent der sozial Schwächeren sollen vor einer Beschlagnahmung ihres Hauses oder ihrer Wohnung geschützt werden. Zudem wird eine Sondersteuer für griechischen Wein in Höhe von 40 Cent pro Liter eingeführt. Auch die Glücksspiele sollen mit neuen Steuern belastet werden.

Wie das staatliche Fernsehen berichtete, soll niemand seine Erstwohnung verlieren, wenn sie einen Wert von bis zu 170.000 Euro hat und sein Jahreseinkommen unter 8.180 Euro liegt. Diese Summe gilt als Armutsgrenze. Im Falle eines Ehepaars steige diese Summe auf 13.917 Euro. Für Familien mit zwei Kindern liegt der Grenzwert bei 20.639 Euro.

Derweil wollen die SYRIZA-geführte Regierung in Griechenland und die Türkei stärker in der Migrationspolitik zusammenarbeiten. Die Kooperation zwischen den Einwanderungsbehörden und Küstenwachen beider Länder werde verstärkt, teilten der griechische Regierungschef Alexis Tsipras und sein türkischer Kollege Ahmet Davutoglu bei einem Treffen in Ankara mit. Als erstes Zeichen der verstärkten Zusammenarbeit trafen sich laut Tsipras die Leiter der Küstenwachen beider Länder.

»Für uns beide, Griechenland und die Türkei, muss es erste Priorität sein, die humanitäre Tragödie in der Ägäis zu beenden«, sagte Tsipras mit Blick auf die vielen Flüchtlinge, die auf dem Weg in sein Land im Mittelmeer ertrinken. »Das ist eine internationale Krise. Niemand kann sie allein bekämpfen«, mahnte der griechische Ministerpräsident. Den Schleusern warf er vor, »Menschenleben aufs Spiel zu setzen«.

Davutoglu kündigte die Gründung eines »bilateralen Mechanismus, einer Arbeitsgruppe« an. Auch er verwies auf die Mitverantwortung anderer Länder in der Flüchtlingskrise: »Niemand darf das Problem auf den Rücken unserer beiden Länder laden.«

Seit Jahresbeginn haben nach UN-Angaben schon mehr als 650.000 Flüchtlinge und Einwanderer die griechischen Inseln im Mittelmeer erreicht. Über 500 Menschen kamen bei dem Versuch ums Leben, auf oft nicht seetüchtigen Booten Griechenland und damit die EU zu erreichen. Die Türkei ist der wichtigste Ausgangspunkt für Flüchtlinge, die in die EU gelangen wollen.

Die Türkei beherbergt mittlerweile rund 2,2 Millionen Menschen aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien. Derzeit verhandelt die türkische Regierung mit der EU über einen gemeinsamen Aktionsplan. Die Türkei fordert von der EU jährliche Hilfen in Höhe von drei Milliarden Euro, die visafreie Einreise von Türken in die EU und eine Neubelebung der Beitrittsverhandlungen mit der EU. Das ist wegen der Politik des autoritären Regimes in Ankara umstritten. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal