Milliarden, um Millionen zu retten

Internationale Energieagentur legt Studie über Energie und Luftverschmutzung vor

  • Guido Speckmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn alles beim Alten bleibt, steigt die Luftverschmutzung bis 2040 erheblich, prognostiziert die Internationale Energieagentur (IEA). Mit sieben Prozent mehr Investitionen wäre eine Verringerung möglich.

Die Zahlen sind erschreckend, aber kaum in der Öffentlichkeit bekannt: Jedes Jahr sterben Angaben der Weltgesundheitsorganisation zufolge rund 6,5 Millionen Menschen frühzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung. Das sind mehr Menschen als an HIV/Aids, Tuberkulose und Straßenunfällen zusammengenommen aus dem Leben scheiden. Der VW-Abgasskandal lenkte zwar jüngst den Blick auf die Tricksereien der Autokonzerne, ihre Emissionen nominell zu schönen. Doch sie sind nicht die einzige Quelle der geundheits- und umweltschädigenden Emissionen.

Der am Montag veröffentliche Sonderbericht »Energie und Luftverschmutzung« der Internationalen Energieagentur (IEA) nimmt alle Facetten der Luftverschmutzung, die das viertgrößte Gesundheitsrisiko nach Bluthochdruck, falscher Ernährung und Rauchen ist, in den Blick. Und er wagt einen Blick in die Zukunft und macht Vorschläge, wie die Luftverschmutzung reduziert werden könnte. Die Studie ist die erste der IEA, die systematisch den Zusammenhang zwischen Energie, Luftverschmutzung und Gesundheit analysiert.

»Saubere Luft ist ein Menschenrecht, das dem Großteil der Weltbevölkerung fehlt«, sagte IEA-Direktor Fatih Birol während der Vorstellung. Und das zentrale Problem fasste er in die Worte: »Wir müssen unser Herangehen an die Energieentwicklung korrigieren, so dass Gemeinschaften nicht gezwungen sind, für wirtschaftliches Wachstum ihre saubere Luft zu opfern.«

Denn Hauptverursacher der Verschmutzung der Luft mit Feinstaub, Schwefel- und Stickstoffoxiden ist die Verwendung von Energiebrennstoffen durch den Menschen. Sie ist die Basis fast aller ökonomischer Prozesse - und seien es so banale wie das Kochen einer Mahlzeit über einem Holzfeuer oder die Beleuchtung mit Kerosinlampen. Beides ist dem Bericht zufolge in den Ländern des globalen Südens ein weit verbreitetes Phänomen. 2,7 Milliarden Menschen kochen auf diese Weise und sorgen so für Licht. Die dabei entstehenden Emissionen sind gegenwärtig für die meisten frühzeitigen Tote durch Luftverschmutzung verantwortlich: nämlich für 3,5 Millionen Tote jährlich, vornehmlich in den asiatischen und den sub-saharischen Ländern.

Die Luftverschmutzung, die auf das Konto der industrialisierten Länder durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe wie Kohle und Öl in der Produktion oder im Verkehr geht, ist zurzeit für drei Millionen frühzeitige Tode verantwortlich. Werden die gegenwärtigen Trends fortgeschrieben, so ist dem IEA-Bericht zufolge mit einem weiteren Anstieg der Luftverschmutzung mit Todesfolgen zu rechnen.

Es würde allerdings bereits eine relative kleine Erhöhung der Investitionen in den Energiesektor genügen, um für weniger Emissionen zu sorgen. Die IEA spricht von einem Plus von sieben Prozent bis 2040, in absoluten Zahlen von 4,8 Billionen US-Dollar. Dieses »Saubere-Luft-Szenario« setzt keineswegs auf innovative Sprünge, sondern auf vergleichsweise unspektakuläre Maßnahmen wie die Reduzierung von Kosten in der Batterietechnologie, den weiteren Ausbau von Erneuerbaren Energien sowie die Einführung bereits heute bekannter Techniken. Durch Effizienzsteigerungen sei bis 2040 eine 15-prozentige Reduzierung des Energiebedarfs denkbar, so der die IEA. Die zu erwartenden Folgen indes wären durchaus enorm: Die Zahl der frühzeitigen Tode durch Luftverschmutzung könnte in dem »Saubere-Luft-Szenario« insgesamt um bis zu 3,3 Millionen reduziert werden. Ob es freilich dazu kommt, ist eine Frage der politischen Kräfteverhältnisse.

Die IEA, 1974 als autonome Einheit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gegründet, galt traditionell als atomfreundlich und stand lange in der Kritik, falsche Prognosen, vor allem in Hinblick auf das Potenzial der Erneuerbaren, abgegeben zu haben. Zuletzt sprach die Agentur sich aber für die Abschaffung der Subventionierung fossiler Brennstoffe aus.

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