»Feindselige« Stimmung gegen Corbyn

Misstrauensvotum gegen Labour-Chef am Dienstag / Linker Flügel sieht »Coup« gegen den Parteivorsitzenden / Unterstützer des Oppositionsführers demonstrieren vor dem Parlament

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Berlin. Der britische Labour-Oppositionschef Jeremy Corbyn kämpft weiter gegen Rücktrittsforderungen aus den eigenen Reihen. Zahlreiche Abgeordnete riefen ihn bei einer Sitzung am Montagabend zum Rückzug auf. Seit dem Wochenende hat ein erheblicher Teil des Labour-Schattenkabinetts dem linken Oppositionschef den Rücken gekehrt, weil er angeblich für mögliche Neuwahlen nicht ausreichend führungsstark sei. In Wahrheit geht es aber auch um den Kurs der Partei. Die Parteilinken sprechen von einem seit längerem geplanten Coup gegen den mit großer Mehrheit demokratisch gewählten Parteivorsitzenden.

Teilnehmer der Sitzung bezeichneten die Stimmung als »feindselig« und »katastrophal«. Unmittelbar nach der Sitzung stellte sich Corbyn seinen Anhängern. Man solle jetzt nicht die »Schuld-Karte« ausspielen, rief er der jubelnden Menge in London zu. Am Dienstag steht ein Misstrauensvotum gegen den 67-Jährigen an. Dabei werde geheim abgestimmt, berichtete der Sender BBC. Dieses Votum sei aber nicht rechtlich bindend, sagte eine Sprecherin der Labour-Partei der Deutschen Presse-Agentur. Ein enger Vertrauter Corbyns erklärte, der Labour-Chef werde auf keinen Fall weichen. Es seien lediglich einige Abgeordnete, die sich gegen ihn stellten. Notfalls werde sich Corbyn erneut einer Urwahl der Partei stellen.

Zahlreiche Abgeordnete hielten ihm vor, sich beim Brexit-Referendum nicht genügend für den Verbleib in der EU eingesetzt zu haben. Wähleranalysen zeigen, dass das Austrittslager auch in Labour-Hochburgen im Nordwestens Englands punkten konnte. Außerdem zweifeln seine Kritiker, ob er der geeignete Mann für die erwarteten Neuwahlen ist - vor allem, wenn er gegen den überaus populären und mediengewandten Brexit-Wortführer Boris Johnson antreten müsste. Nach dem angekündigten Rücktritt von Premierminister David Cameron könnte es bereits zum Jahresende vorgezogene Neuwahlen geben.

Der 67-jährige, der dem linken Parteiflügel angehört, war erst vor neun Monaten bei einer Urwahl mit breiter Mehrheit an die Parteispitze gekommen. Einen offensichtlichen Kandidaten, der nun die Nachfolge Corbyns antreten könnte, gab es zunächst nicht. Bevor Corbyn vergangenes Jahr zum Favoriten avanciert war, hatte der Abgeordnete Andy Burnham vorn gelegen. Der 46-Jährige aus der nordenglischen Arbeiterschicht gibt sich als Durchschnittsbürger, der jeden Labourwähler vertreten kann. Kritiker werfen ihm jedoch politischen Opportunismus vor. Am Wochenende hatte er deutlich gemacht, dass er sich nicht an einem »Coup« gegen Corbyn beteiligen wolle - das könnte ihn zusätzlich als Konsenskandidaten positionieren. Agenturen/nd

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