Wenn Rot-Rot wirken soll ...

Die neue Umweltministerin Anita Tack (LINKE) über Bürgerinitiativen, Braunkohle und Nachtflüge

  • Lesedauer: 5 Min.
Die Ingenieurin wurde 1951 in Dresden geboren.
Die Ingenieurin wurde 1951 in Dresden geboren.

ND: Wie sehr haben Sie vor der Landtagswahl am 27. September damit gerechnet, Ministerin in einer rot-roten Landesregierung zu werden?
Tack: Wenig. Weil ich – das will ich gern zugeben – zwar gehofft, aber nicht geglaubt habe, dass sich die SPD für Rot-Rot entscheiden wird.

Was glauben Sie: Warum hat sich die Linkspartei entschieden, dass Anita Tack Ministerin für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz werden sollte?
Da wäre es gut, andere zu fragen. Aber ich lege auf die Waagschale: eine Menge Leitungserfahrung, die man in der Partei gut kennt – auch aus den siebziger und achtziger Jahren, als ich Verantwortung für die Territorialplanung im Bezirk Potsdam trug –, da ist meine Arbeit im Parlament seit 1994, zu der auch Ausschussvorsitz und Arbeit in zwei Untersuchungsausschüssen zum Großflughafen Schönefeld gehörten, und ich denke, man weiß auch, dass diese Arbeit immer ein beachtliches öffentliches Echo gefunden hat. In Ehrenämtern wie dem Vorsitz des kommunalpolitischen forums Land Brandenburg e.V. oder seit 2002 dem Vorsitz der Landesverkehrswacht bin ich immer im ganzen Land unterwegs gewesen und weit über die Parteiengrenzen hinaus wirksam geworden.

Ihre Domäne als Landtagsabgeordnete war die Verkehrspolitik. Wie wollen Sie sich in die neue Aufgabe hineinfinden beziehungsweise wie klappt das bislang?
Ich habe mich nie in eingeengter Weise als Fachpolitikerin verstanden, sondern immer versucht, die ganze Dimension der Verkehrs- und Regionalpolitik im Blick zu haben. Also: Verkehr ist nicht nur Planung, Organisation und Technik, sondern ein wichtiger Bestandteil von öffentlicher Daseinsvorsorge. Verkehrspolitik war und ist für mich also immer auch Sozialpolitik, Infrastrukturpolitik, Wirtschaftspolitik, Kommunalpolitik und selbstverständlich Umweltpolitik, und auch mit der Bildungs- und der Gesundheitspolitik, z.B. den Verkehrslärm betreffend, ist sie immer verbunden. Mit dieser Herangehensweise habe ich mich auch um Umweltprobleme gekümmert – in der Flughafenfrage, im Kampf gegen den Havelausbau, im Ringen um die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene usw. Darum habe ich gute Verbindungen zu den Umweltverbänden, kenne ich Bürgerinitiativen, sind mir viele Fragen der Umweltpolitik vor Ort gut vertraut. Diese Erfahrungen werden mit helfen, mich auch rasch in die Gesundheits- und Verbraucherschutzproblematik hineinzufinden. Zumal ich mit Dr. Daniel Rühmkorf einen sehr kompetenten Staatssekretär gefunden habe und aus den Fachabteilungen des Ministeriums heraus von Beginn an gute Unterstützung verspüre.

Geben Sie Ihr Amt als Präsidentin der Landesverkehrswacht Brandenburg ab?
Ich habe das Amt jetzt acht Jahre inne. Das wird sich zeigen. Ich will, dass die Dinge ihren gut begründeten demokratischen Gang gehen. Im Frühjahr sind in der Landesverkehrswacht Wahlen.

Die Gesundheitsverwaltung befand sich früher beim Sozialministerium, um den Verbraucherschutz und die Umwelt kümmerte sich das Landwirtschaftsministerium. Wo befindet sich das neue Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, wo findet man Ihr Büro und wer saß da früher?
Mein Büro befindet sich dort, wo bisher alle Landwirtschaftsminister saßen. Mein Vorgänger hatte auch das Ressort Umweltpolitik mit in der Verantwortung. Jetzt mit dem neuen Zuschnitt wird es noch vielfältiger mit den Adressen, denn wir haben mehrere Standorte in Potsdam und die nachgeordneten Einrichtungen sind im ganzen Land verteilt.

Wie läuft die Zusammenstellung des neuen Ministeriums. Gibt es deswegen jetzt in den Büros der Landesregierung eine Umzugswelle?
Wir werden wohl an einigen Standorten konzentrieren, wollen aber keine große Umzugswelle organisieren. Wir werden die möglichen Varianten mit den Beschäftigten diskutieren. Und ab 2013 sitzen wir dann alle im neuen Behördenzentrum zusammen.

Welche Akzente wollen Sie als Ministerin setzen und wo bleibt dabei das spezifisch Linke?
Umwelt erhalten – Gesundheit fördern – Verbraucherschutz stärken: Das ist das Generalmotto meiner Arbeit. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger sollen gut aufgeklärt in einer gesunden und umweltverträglichen Umgebung leben. Alle drei Bereiche bedürfen – das zu sagen ist mir außerordentlich wichtig – einer besonders intensiven und ständigen Rückkopplung mit den Bürgerinnen und Bürgern. Verbände und Bürgerinitiativen haben gerade hier, wo jeder immer und ganz unmittelbar betroffen ist, einen hohen Stellenwert. Ohne Dialog mit ihnen ist mein Amt nicht zu führen. Ich bin Sozialistin und will ein gesellschaftliches Umsteuern: Weg von der Umverteilung von unten nach oben hin zu einer von oben nach unten; weg von der Umweltzerstörung hin zu verantwortungsvollem Umgang mit den knapper werden Ressourcen. Damit das gelingt, braucht es gesellschaftlichen Druck. Und zwar viel stärker als bisher. Wenn das Brandenburger Rot-Rot gegen Schwarz-Gelb im Bund Wirkung entfalten soll, bedarf es breiter – und zwar fordernder! – Unterstützung.

Neben dem Wirtschaftsministerium ist auch Ihr Umweltministerium in die Genehmigung umstrittener neuer Braunkohletagebaue involviert. Was können und was werden Sie tun?
Wir leben mit den Folgen dessen, dass das von uns – der LINKEN – unterstützte Volksbegehren gegen neue Tagebaue kein Erfolg geworden ist. Das hat Gründe, mit denen wir umgehen müssen. Im Koalitionsvertrag sind scharfe Bedingungen für die Entwicklung der Braunkohle formuliert und ein Vorrang für Erneuerbare Energien. Um deren Einhaltung werde ich kämpfen. Und hoffe, dabei breite öffentliche Unterstützung – selbstverständlich auch kritische – zu haben. Für die Genehmigungen sind andere zuständig. Bei uns liegen so wichtige Entscheidungen wie z. B. über die Grundwasserentnahme.

Sie haben sich in der Vergangenheit immer wieder kritisch zum laufenden Bau des Großflughafens Schönefeld geäußert. Wird man Sie auch in Zukunft und in Ihrer neuen Funktion zu diesem Thema hören?
Zum einen wird der BBI mit öffentlichen Mitteln gebaut, da ist wirtschaftlicher Einsatz zu kontrollieren, und zum anderen werde ich selbstverständlich auch weiterhin für ein konsequentes Nachtflugverbot streiten. Und auch hier gilt: Ich habe großes Interesse daran, bei diesem Ringen in guter Verbindung mit den Bürgerinitiativen und Bürgermeistern der Flughafenregion zu bleiben.

Fragen: Andreas Fritsche

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