Duale Moderatoren

  • Heiko Hilker
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor ist Mitglied des Rundfunkrates des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) und lebt in Dresden.
Der Autor ist Mitglied des Rundfunkrates des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) und lebt in Dresden.

Vor drei Jahren wollte der WDR-Rundfunkrat Günther Jauch ganz oder gar nicht bei der ARD haben. Vor einigen Wochen fragte Ruth Hieronymi, die Vorsitzende des WDR-Rundfunkrates, grundsätzlich, ob »ein prägendes Gesicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für Information« und »im kommerziellen Fernsehen für die Unterhaltung« stehen kann. Bisher sei »ein Gesicht stets mit einem bestimmten Sender in Verbindung gebracht« worden.

Doch stimmt das? Ist es etwa Günther Jauch, für den die ARD die Mauer zu den privaten Sendern zum Einsturz bringt, um sich zu retten? Die Zeit der Exklusivverträge mit einem Sender ist vorbei. Günther Jauch arbeitet bei »5 gegen Jauch« mit Oliver Pocher zusammen, der bei Sat.1 unter Vertrag ist. Stefan Raab hat für die ARD Lena platziert. Schon Mitte der 90er moderierte Thomas Gottschalk nicht nur »Wetten, dass?« beim ZDF, sondern auch bei Sat.1 »Gottschalks Haus-Party«.

Vielen Moderatoren ist es egal, bei welchem Sender sie vor der Kamera stehen. Einige haben auch eigene Produktionsfirmen, die schon lange für beide Seiten des Systems arbeiten. Moderatoren mit ihren Sendungen outzusourcen, auf die Idee kamen ARD und ZDF, um sich soziale Folgekosten zu sparen, falls einmal eine Produktion eingestellt wird. Alle Polit-Talks des Ersten werden so produziert. Dabei hatten die Sender Sabine Christiansen, Frank Plasberg sowie Anne Will, die bei ihnen jahrelang fest angestellt waren, gebeten, sich für ihre Talkshows selbstständig zu machen und Firmen zu gründen. Damit wurde das auf den politischen Journalismus übertragen, was für die Unterhaltung schon lange Praxis war. So hatte Alfred Biolek im Jahre 1979 die PRO GmbH gegründet, um mit ihr »Bios Bahnhof« zu produzieren. Noch bevor die privaten Sender folgten kamen »Bei Bio«, »Mensch Meier« und die »Mitternachtsspitzen« für das Dritte des WDR hinzu. 2001 produzierte er für WDR, ZDF, Sat.1 und RTL.

So, wie Alfred Biolek von der ARD aus kommend Programmflächen bei den privaten Sendern eroberte, so erobern Günther Jauch und Stefan Raab ARD und ZDF. Stefan Raab moderierte 1997 erstmals parallel bei VIVA und für WDR/Eins live. Günther Jauch schaffte es mit seiner I&U TV, in nur sieben Jahren bis 2007 auf einen Jahresumsatz von 35,3 Millionen Euro und einen Gewinn von 6,2 Millionen Euro zu kommen. Zuletzt legte die ARD die Produktion ihrer zwei Geburtstagsshows in die Hände der I&U TV. Viele andere Produktionsfirmen – darunter auch viele, die den öffentlich-rechtlichen Sendern gehören – produzieren für beide Seiten des dualen Systems. Wenn die eigene Firma für beide Seiten produziert, warum soll dann nicht auch der Chef auf beiden Seiten moderieren? Warum soll nicht derjenige, der die Inhalte entwickelt, auch die Ansagen machen und die Sendungen als Werbung in eigener Sache nutzen?

Die Sender ändern sich. Lange hatte jeder Sender eine geschlossene Identität. Nun entwickeln sie sich zu großen Plattformen. Andere können diese nutzen, um sie mit ihren Inhalten zu füllen. Die Sender sehen sich immer mehr als Distributionsweg zu den Zuschauern, von denen sie mit ihrem Markenkern möglichst viele binden wollen. Und so kümmert man sich in den Sendern immer mehr um das Image, die Marke, den »Programmflow« und immer weniger um die Produktion von Inhalten. Über Jahrzehnte hinweg haben sich so ARD und ZDF von Produzenten zu Verwaltern entwickelt.

Doch wieso soll man dafür noch Gebühren bezahlen? Fließen so nicht Gewinne aus den Produktionen für ARD und ZDF in Produktionen für die privaten Sender? Wäre es angesichts einer solchen Entwicklung nicht folgerichtig, bestimmte Formate, die öffentlich-rechtlichen Ansprüchen genügen, durch Rundfunkgebühren zu finanzieren, egal auf welchem Sender sie laufen?

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