Hinweise auf laufendem Band

Das BKA fand Kassetten, die auf den NSU hinwiesen - und fand sie nicht relevant

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages ging es am späten Donnerstagabend um die sogenannten Heise-Bänder. Nach den dabei enthüllten Pannen sollte man die Abkürzung des Bundeskriminalamtes - BKA - besser so definieren: Behördlich Komplett Ahnungslos.

Draußen auf der Spree zogen die letzten mit Leuchtgirlanden verzierten Ausflugsdampfer vorbei. Im Verhandlungssaal war nur noch die Notbesatzung an Bord, als die Zeugin Angelika Baumert (57), Erste Hauptkommissarin der BKA-Staatsschutzabteilung 17 und derzeit bei der Ermittlungsgruppe »Trio«, für Fassungslosigkeit sorgte. Es ging um die sogenannten Heise-Bänder.

Die Kassetten hätten die Ermittler, die zehn - wie wir heute wissen - rassistische Morde, mehrere Anschläge und Überfälle aufklären sollten, womöglich in Richtung Jenaer Bombenbastler - also zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe - führen können. Der sattsam bekannte Neonazi Thorsten Heise hatte sie heimlich aufgenommen, als er mit Tino Brandt, Chef des Thüringer Heimatschutzes und V-Mann »Otto«, sowie mit Uwe Trinkaus - der Neonazi war gleichfalls Thüringer Verfassungsspitzel - und anderen gesprochen hatte.

Keine Ahnung, wer Heise ist

Das BKA hatte die Bänder im Auftrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main bei einer groß angelegten Durchsuchung des Anwesens von Heise beschlagnahmt. Nebst 2000 anderen Asservaten. Es ging vorrangig um Nazi-CDs, die von Australien über Dänemark gewerbsmäßig nach Deutschland geschmuggelt wurden.

Die Razzia war am 30. Oktober 2007. Frau Baumert, die den Fall später federführend bearbeitete, war damals nur eine von rund einhundert eingesetzten Polizisten. Doch ihre Ahnungslosigkeit in Bezug auf Torsten Heise hat sich bis heute nicht verändert. Für sie war Heise einfach nur ein CD-Händler und Thüringer NPD-Vorstandsmitglied. Sie hat keine Ahnung, dass »Heise, Thorsten, geb. 23. 6. 1969« von den Innenbehörden auf einer Liste geführt wird, die überschrieben ist: »Rechtsextremisten ... mit gerichtsverwertbaren Erkenntnissen zu ihrem Tätigwerden in Jugoslawien.« So umschreibt man gewöhnlich Söldnerdienste.

Die Erste BKA-Hauptkommissarin hat noch nie davon gehört, dass Heise - so behaupten Kameraden - eine Art Koordinator gewesen sei, wenn es um Verbindungen der Neonaziszene nach Südafrika ging. Wo es militärische Trainings gab. Freilich weist Heise jeden Verdacht von sich. Doch auch nach einer BKA-Vernehmung im Dezember 2012 steht er jetzt auf Platz 43 der sogenannten 129er Liste als eine Person »mit nachgewiesenen Kontakten zu Tätern oder Beschuldigten« des NSU-Verfahrens. Dass er selbst »waffenaffin« ist, zeigte sich bei der Durchsuchung.

Um es vorab zu sagen, die Anschuldigungen gegen Heise in Bezug auf die CDs, auf die Waffen und sonstige mögliche Vorwürfe wurden von Staatsanwälten oder Richtern eingestellt.

Baumert wusste sofort: »Da kommt nicht viel rum ...« Logisch, wenn man sich so anstellt, wie sie und ihr Team, andere Fahnder im eigenen Haus oder in anderen Ländern nicht einbezieht und nur dem eigenen Tunnelblick vertraut.

Man hat bei Heise verschiedenste Beweismittel gefunden, die auf das NSU-Netzwerk hingedeutet haben. Doch man hat beispielsweise Adressbücher als »für das Verfahren ohne Bedeutung« weggelegt. Das kommt einem bekannt vor, so hat Baumerts Staatsschutzkollege Brümmendorf schon 1998 verhindert, dass die bei der damaligen Garagendurchsuchung in Jena gefundene Adressenliste des späteren NSU-Killers Uwe Mundlos genutzt wurde.

Namen nicht verstanden

Auch eine bei Heise gefundene handschriftliche Anleitung zum Verhalten bei Durchsuchungen und Festnahmen, die Kriminalisten eigentlich wegen der darin enthalten intimen Kenntnisse der Polizeitaktik alarmieren müsste, wurde weggelegt. Broschüren der im Jahr 2000 verbotenen Blood&Honour-Bewegung, in denen Thorsten und seiner Lebensgefährtin gedankt wurde, waren irrelevant. Man fand eine E-Mail-Adresse, die der Ku-Klux-Klan-Mann Thomas Richter (»V-Mann »Corelli«) genutzt hat.

Die Tonbänder hat man im Mai 2009 erstmals angehört und als nutzlos bewertet. Man vertraute einer Hilfskraft. Die verstand zwar, dass es bei den Unterhaltungen um einen Mundlos ging, doch Böhnhardts Namen klang wie »Böhmer« und statt Zschäpe kam eine »Schäfer« oder »Schädler« heraus

Es ist nicht aufgefallen, dass Brandt über das Trio und die Vermutung spricht, sein »Thüringer Heimatschutz« hätte der »legale Arm einer Terrorbewegung werden können«. Brandt sagt auch, dass die Drei in der Zwischenzeit »andere Sachen machen müssen«, wodurch neue Verjährungsfristen entstanden sein können. Die Rede ist von einer eingeschworenen Gemeinschaft - Wohlleben, Kapke, Zschäpe, Böhnhardt, Mundlos und einem, der nach Hannover zog. Gemeint ist sicher der wie Wohlleben jetzt angeklagte Holger Gerlach. Im Mai 2001 habe er, Brandt, noch Kontakt zu den drei Untergetauchten gehabt. Es geht auch um Geld für das Trio, dass Kapke unterschlagen haben soll. Auf einem weiteren Band ist von Waffen die Rede. Heise sagt: »Wir haben reichlich, reichlich Gruppen im ganzen Bundesgebiet, wir haben reichlich Leute hier, versorgen sich reichlich mit Waffen...«

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