Wirtschaftskrieger auf Eskalationspfad

Sahra Wagenknecht über die Rolle der Bundesregierung im Ukraine-Konflikt

  • Sahra Wagenknecht
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Ukraine-Politik der Großen Koalition ist fatal. Frank-Walter Steinmeier schwankt zwischen seinen öffentlich zur Schau gestellten Rollen als Wirtschaftskrieger auf der einen Seite und dem letzten glücklosen Diplomaten auf der anderen Seite hin und her. Dabei lässt sich der SPD-Außenminister bereitwillig von den USA, von den regierenden Nationalisten und tonangebenden Faschisten in Kiew am Nasenring durch die diplomatische Arena ziehen. Willy Brandt würde sich im Grabe umdrehen. Das Erbe seiner Entspannungspolitik wird von seinen politischen Enkeln mit Füßen getreten. Das ist ein verantwortungsloser Umgang mit dem Frieden in Europa hundert Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs.

Wie übel die christlich-sozialdemokratische Bundesregierung agiert, wird besonders deutlich, wenn man den Krisenverlauf in der Ukraine betrachtet. Denn die Ereignisse der letzten Monate bilden eine Kette der Ungeheuerlichkeiten:

Präsident Wiktor Janukowitsch wurde durch einen bewaffneten Mob gestürzt, nachdem Scharfschützen im Februar auf dem Maidan ein Blutbad angerichtet hatten. Bis heute liegen zu den Hintergründen keine unabhängigen Ergebnisse vor. Offenbar hat die Regierung in Kiew an einer unabhängigen Untersuchung kein Interesse. Der Bundesregierung ist das offenbar egal.

Nachdem es in Odessa Großdemonstrationen für eine Föderalisierung der Ukraine gab, wurden dort am 2. Mai mindestens 48 Regierungsgegner im Gewerkschaftshaus von einer regierungstreuen rechten Meute auf furchtbare Art und Weise ermordet. Die Menschen wurden zum Teil bei lebendigem Leib verbrannt oder nach dem Sprung aus dem Fenster brutal erschlagen. Auch dieses Massaker wurde bisher nicht von unabhängiger Seite untersucht. Die Bundesregierung schweigt dazu.

Der Absturz von Flug MH17, bei dem 298 Menschen starben, ist nicht aufgeklärt. Trotzdem hat auch die Bundesregierung diese Tragödie sofort dazu benutzt, Russland mindestens indirekt für die Katastrophe verantwortlich zu machen und damit neue Sanktionen zu rechtfertigen.

Der ukrainische Präsident und Multimilliardär Petro Poroschenko setzte beim Streit mit den Rebellen in der Ostukraine von Anfang an auf eine militärische Lösung. Inzwischen sind tausende Menschen ums Leben gekommen. Darunter nach UNO-Angaben weit mehr als 1000 unbeteiligte Männer, Frauen und Kinder. Nach Medienberichten könnten bei der jüngsten Offensive der ukrainischen Truppen Phosphorgranaten und ballistische Raketen mit enormem Zerstörungspotenzial zum Einsatz gekommen sein. Da bei einem Einsatz solcher Waffensysteme in besiedeltem Gebiet der Schutz von Zivilisten nicht gewährleistet werden kann, besteht der begründete Verdacht, dass es zu Kriegsverbrechen gekommen ist. Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat diese Befürchtung geäußert.

Und die Bundesregierung? Sie will der Öffentlichkeit ihre Erkenntnisse über eingesetzte Waffensysteme nicht mitteilen. In einer aktuellen Antwort auf meine schriftliche Frage begründet das Auswärtige Amt die Verweigerung mit dem vorgeschobenen Argument, dies würde sonst Rückschlüsse auf die Arbeitsmethoden der deutschen Geheimdienste zulassen. Angela Merkels und Steinmeiers Schweigen zu dem von Kiew immer brutaler geführten Krieg ist eine klammheimliche Zustimmung. Dieser Krieg wird mit Billigung der Bundesregierung durch EU- und IWF-Gelder finanziert sowie durch die extrem angestiegenen deutschen Exporte von militärisch nutzbaren »Dual-Use-Gütern« unterstützt. Durch diese Eskalationspolitik ist die Bundesregierung mitverantwortlich dafür, dass Russland - mit unabsehbaren Folgen - weiter in den Konflikt hineingedrängt wird, obwohl sie behauptet, genau dies mit ihren ständig verschärften Sanktionen gegen Russland angeblich verhindern zu wollen.

Wohin hat die unverantwortliche Unterstützung der Regierung in Kiew bisher geführt? In einen Wirtschaftskrieg zu Lasten deutscher Unternehmen und Arbeitnehmer. Und zu einer permanenten Eskalation, die inzwischen die Sicherheit in ganz Europa gefährdet. So wird es inzwischen sogar vom früheren Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) und anderen ehemaligen Sicherheitspolitikern gesehen. Wir müssen alles dafür tun, damit die »Schlafwandler« Merkel und Co. aufwachen und sich endlich für Frieden einsetzen, statt an der Seite der USA die Welt in eine immer gefährlichere Konfrontation hineinzutreiben.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal