Klima retten mit buntem Schweigemarsch

Auf 2600 Veranstaltungen setzten Menschen am Wochenende weltweit ein Zeichen gegen die Erderwärmung

  • Hilmar König, Max Böhnel und Josephine Schulz
  • Lesedauer: 4 Min.
Nächste Woche findet der Klimagipfel in New York statt. Ob in Dehli, Melburne, Berlin oder New York - weltweit gingen tausende Menschen zum »größten Klimamarsch der Geschichte«.

Berlin. »Wir brauchen Aktion – nicht Gerede«. Das ist die zentrale Botschaft, die über 1500 Teilnehmer des Klimamarsches am Samstag in Delhi an die eigene Regierung und an den am 23. September in New York beginnenden UN-Klimagipfel richten. Die Demo in Delhi war am Wochenende nicht der einzige Appell für mehr Klimaschutz. Weltweit waren für das Wochenende in über 150 Ländern mehr als 2600 Veranstaltungen angekündigt. Die Veranstalter sprachen vom »größten Klimamarsch der Geschichte«. Alleine in Melburne gingen über 30 000 Australier gegen die Klimapolitik ihrer Regierung auf die Straße. Und auch in Berlin und dem Austragungsort des UN-Klimagipfels machte man mobil.

In die Delhi hatte sich bei spätsommerlichen Temperaturen von 35 Grad eine »bunte Truppe« von Klimaaktivisten von der Metrostation »Mandi House« in den etwa sechs Kilometer entfernten Jantar-Mantar-Park auf den Weg gemacht. Sie trugen riesige aufblasbare Windmühlen sowie Transparente und Poster, auf denen ihr Bekenntnis zu einer nachhaltigen Entwicklung unter Beachtung des Umweltschutzes formuliert war, zum Beispiel »Kohle killt« oder »Die Menschen ändern sich nicht, aber das Klima«.

»Bunte Truppe« deshalb, weil sie das ganze Spektrum der Gesellschaft und nicht etwa nur von Teilen der umweltbewussten Mittelklasse reflektierten: Schüler und Studenten, Bauern und Indigene, Rikschafahrer und Tagelöhner, Überlebende der Überflutungen in Jammu und Kaschmir, Mitarbeiter von Institutionen und von rund einem Dutzend Nichtregierungsorganisationen, Künstler, Menschenrechtler, Umweltschützer, Angehörige verschiedener Kasten und Konfessionen, Jugendliche und Betagte, Frauen und Männer, Wohlhabende und um ihre Existenz Kämpfende. »Uns kam es nicht darauf an, dass hier Prominente Flagge zeigen, sondern die Aam Aadmi, die einfachen Bürger, ihre Meinung kundtun. Und weil uns das gelungen ist, bezeichnen wir den Marsch in Delhi als großen Erfolg,« schätzte Ruhie Kumar von Greenpeace India im SN-Gespräch die Aktion ein.

Indiens Premier Narendra Modi schickt seinen Umweltminister Prakash Javedekar, der nach allgemeiner Auffassung mehr den Entwicklungs- als den Umweltschutzaspekt favorisiert, zum Klimagipfel nach New York. Dort wird er wahrscheinlich vor allem auf die Einlösung der Verpflichtungen der Industriestaaten, der USA, der EU und Japans bei der Reduzierung der von Treibhausgasemissionen pochen.

Die Demonstranten in Delhi verlangten aber auch von der eigenen Regierung schnelles und umsichtiges Handeln zur Rettung des Planeten und nicht Reden mit halbseidenen Versprechungen. Indien, so macht die jüngste wissenschaftliche Studie des Intergovernmental Panel on Climate Change deutlich, gehört zu jenen 50 Staaten, die vom Klimawandel besonders bedroht sind und künftig noch stärker betroffen sein werden. Er wirkt sich auf die weitere Verknappung der Wasserressourcen, die Bodennutzbarkeit, die Agrarproduktion und damit auf Nahrungssicherheit, Infrastruktur, Wirtschaftswachstum und Minderung der Armut aus.

Auch in Berlin gingen unter dem Motto »Mal schnell die Welt retten« Menschen für eine klimagerechte Politik auf die Straße. Übliche Demo-Schlachtrufe suchte man auf der Fußgängerparade allerdings vergeblich, denn der Protest der Klimafreunde war so leise wie die globale Erwärmung selbst.

Ausgestattet mit Kopfhörern tanzten die Demonstranten zu einem unhörbaren, aber scheinbar gleichen Rhythmus. »Wir von Avaaz finden das Konzept der Silent Parade super. Es passt zum Klimawandel und trifft den Nerv vieler Berliner«, sagte Elias Schneider, Organisator der Demo bei Avaaz. Mit guter Laune und elektronischer Musik könne man noch mehr Menschen für das Thema begeistern.

Unhörbar zwar, aber nicht unsichtbar ist die Botschaft der Demonstranten. »Wir haben nur eine Erde«, »Klimaschutz – ja bitte« und »heute chillen, morgen grillen« stand auf ihren Schildern. »Es ist wirklich allerhöchste Zeit, dass die Politik in Sachen Klimawandel aktiv wird«, sagte eine Demonstrantin. »Wenn nicht in den kommenden Jahrzehnten weltweit auf eine hundertprozentig saubere Energieversorgung umgestellt wird, dann ist eine globale Katastrophe vorbestimmt.« Dass Angela Merkel nicht selbst zu dem Klimagipfel fahre, sei ein Armutszeugnis.

Parallel zu der stillen Fußgängerparade, starteten an anderen Orten der Stadt zeitgleich eine Fahrrad- und eine Familiendemo. Sie alle traffen sich schließlich, musikalisch unterstützt von namenhaften Bands wie Zweiraumwohnung und Ratatöska am Brandenburger Tor und zeigten mit ihrem bunten Protest, dass ernsthafte politische Forderungen und Spaß keine Gegensätze sein müssen.Unterdessen sollte die Klimademo am Sonntag in New York, die sich kilometerweit durch die Hochhausschluchten von Midtown Manhattan bewegte, die Grundlage für eine »historische Bewegung zur Rettung unseres Planeten« bilden. Über 1500 Initiativen und Organisationen aus den gesamten USA hatten zur Teilnahme aufgerufen, darunter erstmals auch große Gewerkschaften wie die New Yorker »International Brotherhood of Electrical Workers«, die Dienstleistungsgewerkschaft SEIU und die »National Teachers Association«.

Medienwirksam wurde der Zug von direkt Betroffenen und Opfern des Klimawandels angeführt – von Vertretern indigener Völker und Opfern des Orkans »Sandy«, der vor zwei Jahren über New York wütete.
Doch mit der Demo endete der Protest in New York nicht. Unter antikapitalistischen Vorzeichen waren am Montagmorgen zum Börsenstart Aktionen an der Wall Street geplant. Die Wirtschaft des einen Prozent »zerstört den Planeten, überschwemmt unsere Häuser und zerstört unsere Gemeinden«, hieß es in einem Aufruf. Am »Herzen des Kapitals« werde man in blauer Kleidung mit zivilem Ungehorsam »die Krise zu ihren Ursprung zurücktragen«.

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