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Dobrindts Maut fällt bei Kritikern durch

Merkel nennte Pläne nur »vertretbar« / Linkenpolitiker Behrens: Verkehrsminister ist gescheitert / Grüne und Datenschützer warnen vor gläsernem Autofahrer / CDU-Vize Klöckner ruft SPD zur Koalitionstreue auf

  • Lesedauer: 5 Min.

Berlin. Der schon lange angekündigte Gesetzentwurf zur Pkw-Maut für Nicht-Bundesbürger hat am Donnerstag viel Kritik geerntet. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich wenig enthusiastisch und wertete die Pläne von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt lediglich als »vertretbar«. Der CSU-Mann dagegen verteidigte sein hoch umstrittenes Konzept als »fair, sinnvoll und gerecht«. Jeder zusätzlich eingenommene Euro fließe in die Stärkung der Verkehrswege. Geschlossen werde eine Gerechtigkeitslücke, indem die Maut »all diejenigen angemessen an der Finanzierung unserer Straßen beteiligt, die bisher diese kostenlos nutzen«.

Dobrindt hat seine ursprünglichen Mautpläne so gestutzt, dass nun nur noch mit Einnahmen von 300 Millionen Euro gerechnet wird. Im Verkehrshaushalt des Bundes fehlen allerdings nach parteiübergreifender Meinung vieler Verkehrspolitiker alljährlich mehrere Milliarden Euro, um den jahrelangen Investitionsstau bei Straße und Schiene zu beheben. Dobrindt will die Einführung 2016 schaffen - bisher war immer der 1. Januar genannt worden. Das besänftigt aber die Kritiker nicht.

»Der katastrophale Entwurf des Ministers führt zu halbierten Einnahmen bei gleichbleibenden Erhebungskosten. Es bleibt zweifelhaft, ob die Einnahmen am Ende die Ausgaben für den Aufbau und den Betrieb des Systems überhaupt übersteigen«, rügte der Verkehrsexperte der Linksfraktion im Bundestag, Herbert Behrens, die Pläne. »Die Maut als verkehrs- und umweltpolitisches Steuerungsinstrument wird durch diese unsägliche Politik nachhaltig geschädigt. Dobrindt ist mit seinem Entwurf verkehrspolitisch gescheitert. Es ist besser, wenn er dem scheidenden EU-Verkehrskommissar Kallas folgt.«

Der ADAC prophezeite, dass die Maut zum Nullsummenspiel werde. »Es wird netto nichts übrig bleiben«, sagte ADAC-Verkehrsexperte Jürgen Albrecht auf Anfrage. Nach Schätzung des ADAC werden die Kosten der Verwaltung bei etwa 300 Millionen Euro liegen - in etwa so viel wie die Maut an Einnahmen bringen soll. Albrecht begründet das mit der komplizierten Verwaltung: Nur 6,7 Prozent der Pkw-Fahrer auf deutschen Autobahnen seien Ausländer. Die Maut solle aber zunächst für 100 Prozent aller Autofahrer - Inländer und Ausländer - erhoben werden.

Angesichts der geplanten Erfassung aller Kennzeichen von mautpflichtigen Autobahnbenutzern in Deutschland haben die Grünen vor der Möglichkeit umfassender Bewegungsprofile gewarnt. »Einen gläsernen Pkw-Fahrer darf es nicht geben«, sagte Grünen-Parteichef Cem Özdemir der »Rheinischen Post«. Dobrindt müsse allen Rufen der Sicherheitsbehörden nach Zugriff auf die Maut-Daten eine klare Absage erteilen. »Wir warnen den Minister davor, den Datenschutz aufzubohren«, erklärte Özdemir.

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Andrea Voßhoff, kündigte im Gespräch mit der Zeitung an, sie werde »mindestens die hohen datenschutzrechtlichen Standards der Lkw-Maut einfordern«. Das betreffe insbesondere die »strenge Zweckbindung und die Pflicht zur unverzüglichen Löschung«, sofern kein Verstoß gegen die Mautpflicht festgestellt werde.

Auch der rheinland-pfälzische Datenschutzbeauftragte Edgar Wagner hat die geplante Erfassung von Nummernschildern für die vorgesehene Pkw-Maut kritisiert. »Besser wäre es, auf Techniken zu verzichten, die solche Gefahren für den Datenschutz hervorrufen«, teilte er am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa in Mainz mit. Statt einer Papiervignette ist eine »elektronische Vignette« geplant: Alle Mautzahler sind am Nummernschild zu erkennen, da ihr Kennzeichen registriert wird. Zur Überwachung der Maut sollen die Nummernschilder elektronisch gelesen und geprüft werden. Ähnlich funktioniert schon die Überwachung der Lkw-Maut: Das Kennzeichen wird aufgenommen, gecheckt und - wenn alles in Ordnung ist - sofort wieder gelöscht.

Laut Wagner verstößt dies aus Sicht von Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht zwar grundsätzlich nicht gegen den Datenschutz. Allerdings würde mit dem Pkw-Mautsystem eine lückenlose Erfassung aller Verkehrsteilnehmer ermöglicht. Die zugesicherte Löschung könnte technisch auch einfach unterbleiben. »Wir erleben bei der Lkw-Maut, dass immer wieder ernsthaft gefordert wird, die strikte Zweckbindung dieser Daten aufzuweichen, weil Sicherheitsinteressen doch vorrangig seien«, mahnte Wagner. »Solche Diskussionen wird es immer wieder auch bei den Pkw-Mautdaten geben. Wie lange sich der Datenschutz dann durchsetzen wird, ist ungewiss.«

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im EU-Parlament, Michael Cramer, erwartet unterdessen, dass die Pläne für eine Pkw-Maut am EU-Recht scheitern werden. In einem Gespräch mit der »Neuen Osnabrücker Zeitung« sagte der Grünen-Politiker: »Das EU-Recht wird dem diskriminierenden Plan einer 'Pkw-Maut für Ausländer' einen Riegel vorschieben.« Auch die Überarbeitung hätte daran nichts geändert. »Das ist eine Diskriminierung, die die neue Kommissarin Violeta Bulc in ihrer Anhörung explizit ausgeschlossen hat und auch deshalb von der Kommission nicht akzeptiert werden kann«, sagte der Europaabgeordnete. Ein Fallenlassen der Pläne sei auch aus Sicht von CDU/CSU sinnvoll, sagte Cramer: »Der Status quo ohne Maut befriedet alle: Angela Merkel kann ihr Versprechen halten, es gebe mit ihr keine Maut. Horst Seehofer hat die versprochene Aufnahme in den Koalitionsvertrag erreicht. Und das EU-Recht wird nicht gebrochen.«

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner rief die SPD dazu auf, sich koalitionstreu zu verhalten. Klöckner sagte der »Saarbrücker Zeitung«, auch sie sei bei der Maut grundsätzlich skeptisch gewesen. »Aber wir alle, auch die SPD, haben diesem Koalitionsvertrag zugestimmt.« Was jetzt vorliege, »scheint EU-konform und koalitionskonform zu sein, zudem wird kein einheimischer Autofahrer zusätzlich belastet - und wir haben den kleinen Grenzverkehr positiv im Blick«. Klöckner betonte weiter, sollte es Beschwerden über Ausweichverkehre geben, »dann gibt es die Möglichkeit, per Verordnung Streckenabschnitte zu bemauten«. Mit Blick auf die Debatte über geringere Einnahmen sagte die rheinland-pfälzische CDU-Chefin: »Es wird Einnahmen geben, davon ist auszugehen. Und jede Einnahme, die man mehr hat, lohnt sich, damit Straßen instand gehalten werden können.« nd/mit dpa

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