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Athen: Streit um EU-Erklärung nur ein Missverständnis

Gabriel gegen neue Russland-Sanktionen/ Treffen der EU-Außenminister / Neue Regierung in Griechenland auch auf Distanz zu Strafmaßnahmen

  • Lesedauer: 4 Min.

Athen. Die griechische Regierung hat klar gestellt, dass der Protest Athens gegen die gemeinsame EU-Erklärung zu Russland nicht gegen den Inhalt gerichtet gewesen sei. Der Protest habe sich allein auf die Art und Weise bezogen, wie die Erklärung zustande gekommen sei, sagte ein Sprecher der Regierung der Deutschen Presse-Agentur in Athen. Ministerpräsident Alexis Tsipras habe die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini angerufen und dagegen protestiert, dass die normale Prozedur nicht eingehalten worden sei. Die Positionen Griechenlands werde Außenminister Nikos Kotzias am Donnerstagnachmittag in Brüssel seinen Kollegen erläutern.

Gabriel gegen neue Russland-Sanktionen

Berlin. SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich gegen eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland ausgesprochen - und sich damit gegen EU-Parlamentspräsident Martin Schulz gestellt. »Zum jetzigen Zeitpunkt ist es zu früh, glaube ich, schon wieder nach weiteren Sanktionen zu rufen«, sagte der Sozialdemokrat im ZDF. Gabriel sagte wörtlich: »Die Bundesregierung ist nicht der Überzeugung, dass wir jetzt sehr schnell Sanktionen neu formulieren sollten.« Die EU-Außenminister sollten nun erst einmal die Lage in der Ostukraine auswerten »und gucken, ist es tatsächlich so, dass jetzt der Konflikt wieder neue angeheizt wird«. »Ich bin nicht dafür, dass wir jetzt sehr schnell von uns aus die Lage eskalieren lassen.«

»Selbst in den schwierigsten Zeiten darf man das europäische Russland nicht aufgeben und einfach sagen, dann haben wir jetzt eben 30 Jahre einen neuen Kalten Krieg«, so Gabriel. Wenn aber versucht werde, eine Verbindung vom Separatistengebiet zur Halbinsel Krim herzustellen, sei das »eine derartige Eskalation durch die Separatisten, unterstützt von Russland, dass wir dann nicht einfach zugucken können«, so Gabriel. Die Gefechte zwischen ukrainischem Militär und pro-russischen Separatisten im Osten der Ukraine haben bereits mehr als 5.000 Opfer gefordert. Der Westen beschuldigt Moskau, die Separatisten aktiv zu unterstützen.

Bei einem Sondertreffen zum Ukraine-Konflikt beraten die Außenminister der EU-Staaten an diesem Donnerstag (15.00 Uhr) über mögliche neue Strafmaßnahmen gegen Russland. Mit Spannung wird vor allem erwartet, ob Russland wegen seiner Unterstützung für die Separatisten im Osten der Ukraine zusätzliche Wirtschaftssanktionen befürchten muss. Als ersten Schritt in diese Richtung könnten weitere Unterstützer von Kreml-Chef Wladimir Putin auf eine Liste gesetzt werden, die für das EU-Territorium Einreiseverbote und Kontensperrungen vorsieht.

Konkrete Entscheidungen zu einer möglichen Ausweitung von Wirtschaftssanktionen werden nach Angaben aus Diplomatenkreisen vermutlich erst bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs am 12. Februar getroffen. Als sicher gilt hingegen, dass die bereits im März vergangenen Jahres beschlossenen Kontensperrungen und Einreiseverbote gegen Rebellen und Unterstützer um ein Jahr verlängert werden sollen. Dies waren die ersten EU-Strafmaßnahmen, die als Folge der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland verhängt wurden.

Die neue Regierung in Griechenland war zuvor auf Distanz zu neuen Sanktionen der EU gegen Russland gegangen. Athen habe Bedenken über einige Formulierungen angemeldet, hieß es am Mittwoch aus dem Büro des griechischen Regierungschefs weiter. Die Koalition aus Linkspartei SYRIZA und der nationalistischen ANEL hatte zudem dagegen protestiert, dass eine entsprechende Erklärung der EU-Staatschefs ohne Zustimmung Griechenlands unter dem neuen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras veröffentlicht worden sei.

Unklar blieb, ob Griechenland in Erwägung zieht, mögliche Schritte zu blockieren. Theoretisch wäre dies möglich, da Strafmaßnahmen nur einstimmig verabschiedet werden können. Dem neuen griechische Außenminister Nikos Kotzias steht eine mit Spannung erwartete Premiere im Kreis der EU-Kollegen bevor.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warnte die neue Athener Regierung vor politischen Alleingängen. Diese sei nicht gewählt worden, um Sanktionen gegen Russland zu boykottieren, sagte Schulz im ZDF. Der Staat habe ganz andere Sorgen. »Ich habe keinen Bock, ideologische Debatten zu führen mit einer Regierung, die gerade mal zwei Tage im Amt ist.« Schulz wollte sich am Donnerstag in Athen unter anderem mit dem neuen griechischen Ministerpräsidenten Tsipras treffen.

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber warf dem griechischen Ministerpräsidenten vor, sein Land an den »Aggressor« Putin auszuliefern. Der CSU-Mann bezog sich im Deutschlandfunk auch auf die Zurückhaltung der neuen Athener Koalition gegenüber neuer Russland-Sanktionen.

Der Außenexperte der Linken, Stefan Liebich, nannte die Haltung der Regierung Tsipras dagegen verständlich. Die Politik von EU-Strafmaßnahmen habe bisher nichts gebracht, sagte er ebenfalls im Deutschlandfunk. Der Bundestagsabgeordnete forderte die EU auf, Griechenlands Position zu akzeptieren und nicht Anweisungen aus Brüssel zu erteilen,»Wenn die EU eine Institution von Demokratien ist, dann wird sie sich damit auseinandersetzen müssen.« nd/Agenturen

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