Neues vom Russen

«Zeit» & Rassenkunde

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Hermann Hartfeld ist 72. Ein rundes Gesicht mit einem freundlichen Ausdruck. Er ist Pastor im Ruhestand und hat viel gesehen.« So weit, so gut. Rundes Gesicht, freundlicher Ausdruck, Pastor im Ruhestand, viel gesehen. Die aus der christlichen Wochenzeitung »Rheinischer Merkur« hervorgegangene Wochenschrift »Christ & Welt«, die seit einigen Jahren als Zeitungsbuch in der renommierten »Zeit« erscheint, druckt eben den üblichen Schmonzes ab, mag man da denken. Ein christliches Blatt, stockkonservativ, behäbig, bieder. Was sollen die Christen auch anderes drucken als erbauliche Schmierlappengeschichten, bei deren Lektüre es im Lesergemüt wohlig und warm knistert wie an einem stillen, besinnlichen Kirchentagsabend im Kaminzimmer? Auch die Sprache, in der erzählt wird, liest sich wie direkt aus Karl-May- und Courths-Mahler-Schmökern herauskopiert.

Man sieht den Pastor Hartfeld, einen baptistischen Christen und »Russlanddeutschen«, den die Sowjets einst als jungen Mann »ins Straflager« steckten, weil er »Jugendtreffen in den Wäldern organisierte«, sofort vor sich: lustige Äuglein im kugelrunden Gesicht, ein grundsympathischer junggebliebener Haudegen, ein bescheidener, freundlicher Seelenhirte, der es von Herzen gut meint mit den Menschen. Ein neutraler, unparteiischer Diener Gottes, der in dem Zeitungsartikel vom schrecklichen Krieg in der Ukraine berichtet. Wir, die Leser, können uns entspannt in unseren Wohnzimmersessel sinken lassen und ihm blind vertrauen.

Geboren, so erfahren wir, ist Hartfeld, der als Gewährsmann des Autors des hier zitierten Artikels fungiert, im Jahr 1942 »in Omsk, als die deutsche Wehrmacht Stalingrad eingenommen hatte und die Rote Armee begann, die Deutschen einzukesseln«. Beim Leser regt sich ein erster Verdacht: Sollte es so sein, dass der Russe - ausgerechnet in dem Augenblick, in dem es den tapferen Deutschen gerade kurzzeitig gelungen war, den Vormarsch des internationalen Bolschewismus aufzuhalten - die Deutschen frech ausgetrickst und eiskalt zugeschlagen hat? Dass der Russe den ebenso arg- wie ahnungslosen Deutschen erst gnadenlos eingekesselt hat, um ihn hernach per erbarmungsloser Russenkälte und Russenperfidie ins Jenseits zu befördern? Ja, so muss es wohl gewesen sein. Lesen wir erst mal weiter und lassen wir unseren rundgesichtigen, rundum freundlichen Russenexperten seine Sach- und Fachkenntnisse ausbreiten. Wie ist der Russe sonst so? Was treibt ihn an, den Russen? Was sollten unsere Politiker über den Russen wissen? Hartfeld: »Sie unterschätzen die Verschlagenheit und die Brutalität von Russen.«

Endlich sagt’s einer! Als ob wir’s nicht schon geahnt hätten: Die deutschen Politiker vertrauen auf ihre naive Kinderart bis heute dem Iwan, während der ungefragt und putzmunter ein unschuldiges kleines Land nach dem anderen annektiert und Neugeborene zum Frühstück verspeist. Doch dank den in der Demokratenzeitung »Zeit« erfreulicherweise abgedruckten und unwidersprochen gebliebenen Feststellungen unseres rundgesichtigen, freundlichen Rassekundlers Hartfeld können die deutschen Politiker nun ihre Naivität ein wenig überarbeiten. Als »Wochenzeitung für Glaube, Geist, Gesellschaft« bezeichnet sich das Blatt »Christ & Welt«. Welcher Glaube und welcher Geist da herrscht, das glauben wir jetzt ungefähr zu wissen.

Anm. d. Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass die Wochenschrift »Christ & Welt« von der Evangelischen Kirche herausgegeben wird. Dies trifft nicht zu. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung. (6.3.2015)

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