Start-ups ohne Tier

Firmengründer und Tierrechtsinitiativen präsentierten sich auf dem 8. Veganem Sommerfest in Berlin

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Wochenende präsentierte sich Berlin zum 8. Mal als vegane Hauptstadt. Auch für die Wirtschaft wird die tierfreie Lebensweise immer interessanter. Viele Firmengründer entdecken das Thema für sich.

»Schmeckt besser als das Ding mit dem Tier drin«, sagt Christoph Fröbe und grinst seinen Begleiter an als hätte dieser eine Wette gewonnen. »Hab ich doch gesagt«, freut sich Matthias Schöne und kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Dieses »Ding«, das bei den beiden Studenten für Heiterkeit sorgt, trägt den klangvollen Namen »La Rossa«, zu deutsch »Die Rote«. Es ist: Eine Bratwurst. Ohne Fleisch, völlig tierfrei, eine Grillalternative auf der Basis von Weizeneiweiß, abgeschmeckt mit Zwiebeln, Paprika und Rauch, hergestellt von einem Pionier für vegane Lebensmittel aus dem schwäbischen Mössingen. Während die Firma »Topas« seit Jahren auf dem Veganen Sommerfest wirbt, ist die fleischfreie Wurst für Christoph am Wochenende auf dem Alexanderplatz eine Premiere. Dabei ist dem 27-Jährigen die rein pflanzliche Küche längst ein Begriff: »In unserer WG lebt ein Vegetarier, eine weitere Mitbewohnerin verträgt keine Milchprodukte«, erzählt Christoph. Da die Drei oft gemeinsam kochen, ließen sie bei den Mahlzeiten das Fleisch als auch Käse, Sahne und Milch weg. »Und plötzlich isst du vegan und merkst es nicht einmal«, erklärt Matthias.

Eine ähnliche Geschichte erzählt Salem Abei von der Berliner Start-up-Firma »Briefkeks«. Das im Dezember 2014 gegründete Unternehmen verschickt vom Prenzlauer Berg aus Süßigkeiten in die Republik. Neben allerlei Variationen der namensgebenden Kekse, verkauft die kleine Firma Schokolade, Gummibärchen, Pralinen Kuchen und andere Backwaren, alles natürlich vegan. Besonders nützlich: Die Kunden können auf der Website von »Briefkeks« nach verschiedenen Zutaten, etwa Gluten, Soja oder Nüssen, filtern. Besonders für Allergiker ist diese Option interessant, da oft viel zu klein gedruckte Zutatenlisten im Supermarkt für Verzweiflung sorgen.

Bei Briefkeks kennt man das Problem. »Bei uns im Unternehmen arbeiten sowohl Veganer als auch Leute, die verschiedene Lebensmittel nicht vertragen«, erzählt Abei. Besonders begehrt sind bei den Käufern Klassiker, beispielsweise Alternativen für Milchschokolade auf der Basis von Reis, aber auch eher exotische Sorten mit Goji, einer süßsauren Beere. Die Kundschaft von Briefkeks ist zu 90 Prozent weiblich, ergab eine Auswertung. Damit unterscheiden sich die Kunden des Start-ups deutlich vom typischen Veganer, der laut unterschiedlicher Erhebungen der letzten Jahre Veganerin heißen müsste. Zwei Drittel der 900 000 Menschen in Deutschland, die auf tierische Produkte verzichten, sind Frauen.

Wie hoch der Anteil in der Hauptstadt ist, weiß Sandy Meier von »Berlin Vegan« nicht. Das offene Netzwerk veranstaltete mit dem »Vegetarierbund Deutschland« (Vebu) und der »Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt« das achte Vegane Sommerfest, inzwischen zum dritten Mal auf dem Alexanderplatz. An mehr als 100 Ständen stellten drei Tage lang neben den unterschiedlichsten Gastronomen, auch vegane Modelabel, Kosmetikhersteller und andere Unternehmen ihre Produkte vor, Tierrechtsinitiativen warben für den Umstieg auf eine tierleidfreie Lebensweise. Wirtschaftlich gesehen, wuchs die Bedeutung der veganen Szene in der Hauptstadt zuletzt rasant.

Das Tierrechtsbündnis entwickelte vor einigen Jahren einen Restaurant- und Einkaufsführer. Listete die Datenbank 2010 für Berlin noch 50 gastronomische Betriebe mit einem veganen Angebot auf, sind es aktuell bereits mehr als 300 Restaurants und Imbisse. Eine dazu von Meier entwickelte App wurde bereits 20 000 Mal heruntergeladen, ständig schicken Nutzer neue Tipps, die das Team in die Übersicht aufnimmt. »Die vegane Lebensweise ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen«, sagt Vebu-Geschäftsführer Sebastian Zösch. Diese Einschätzung dürfte Meier teilen. Hielt das Bündnis Berlin Vegan kurz nach seiner Gründung 2005 noch wöchentliche Demonstrationen ab, sei dieser Straßenkampf heute in der Hauptstadt nicht mehr nötig.

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