Gegen das Massensteak auf dem TTIP-Silbertablett

Studie untersucht Auswirkungen des Freihandelsabkommens auf die Fleischbranche

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

»TTIP würde den transnationalen Fleischkonzernen die europäische Tierhaltungsbranche auf dem Silbertablett servieren.« Shefali Sharma vom Institute for Agriculture and Trade Policy Europe (IATP) nimmt keinen Blatt vor den Mund, wenn es um die möglichen Folgen des Freihandelsabkommens TTIP zwischen den USA und der EU im Bezug auf die Landwirtschaft geht. Unterstützt vom EU-Parlament, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Organisation zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere »Compassion in World Farming« und der Stiftung Power-Shift hat die Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Minneapolis und Genf in der Studie mit dem Titel »Selling Off the Farm: Corporate Meat›s Takeover Through TTIP« die Fleisch- und Schlachtbranche untersucht. Für Autorin Sharon Treat, ehemalige Abgeordnete der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, zeigt die Analyse klar: »Die Fleischindustrie wird TTIP erfolgreich nutzen, um Regularien zum Umweltschutz und zur öffentlichen Gesundheit zu unterlaufen.« Und das zu einem Zeitpunkt, an dem in den USA wie auch in Europa Verbraucher zunehmend kritisch auf Gentechnik, Klimawandel und Megaställe reagierten.

Dabei entwickeln sich die Branchen auf beiden Seiten des Atlantiks – sie sind globale Marktführer – durchaus ähnlich und setzen auf den Export. In den USA jedoch ist in der Folge die Konzentration auf wenige marktbeherrschende Konzerne wesentlich weiter fortgeschritten. Megaställe mit 18.000 Rindern beherrschen das Bild des weltweit größten Produzenten von Rindfleisch, 85 Prozent der Schlachtungen standen 2012 unter der Kontrolle von vier Konzernen. Bei der Produktion von Schweinefleisch ist sogar nur ein Konzern – Smithfield Foods – marktbeherrschend. Auch hier sind die USA Exportweltmeister. In den vergangenen 20 Jahren wurden indes rund 90 Prozent der unabhängigen Schweinefarmen vernichtet. Ähnlich ist die Struktur in der Geflügelindustrie.

Eine Entwicklung, die Hanny Van Geel von der Bauernorganisation Via Campesina auch für Europa befürchtet: »Mit TTIP wird die europäische Branchenstruktur in das US-Modell transformiert. Weniger Konzerne kontrollieren das gesamte System von der Produktion bis zum Supermarkt.«

Dabei führt auch in Europa die Weltmarktorientierung bereits zu Überproduktion und Preisdumping. Die Marktkonzentration ist insbesondere in der Schlachtindustrie weit fortgeschritten. In Deutschland lagen zuletzt 55 Prozent des gehandelten Schweinefleischs in den Händen der vier Großen: Danish Crown, Tönnies, Vion und Westfleisch.

Damit einhergehend, so kritisieren die Autorinnen, verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen in der Branche stetig. Sowohl in den USA als auch in Europa verdienten die Arbeiter in den Schlachtfabriken faktisch weniger als den Mindestlohn und seien einer hohen Unfallgefahr ausgesetzt. Mit der Liberalisierung durch TTIP werde sich diese Entwicklung auch in der Produktion fortsetzen, denn die in Europa höheren Kosten in der Erzeugung würden ebenfalls dem Dumpingwettbewerb ausgesetzt. Regeln für besseren Arbeitsschutz dagegen könnten als Handelshemmnis wahrgenommen werden.

Angeheizt werde dieser Preiskampf noch durch preissenkende Maßnahmen wie dem in den USA weit verbreiteten Einsatz von Hormonen in der Aufzucht. In Europa ist das verboten – die US-Industrie sieht durch TTIP eine Chance, das Importverbot aufzuheben. Gina Tumbarello, Direktorin beim US-Verband der Futtermittelindustrie (AFIA) hat bereits verlauten lassen, das EU-Verbot des Wachstumshormons Ractopamin sei »weder wissenschaftlich gestützt noch konform mit internationalen Standards«.

Ähnliche Pläne gibt es beim Einsatz von Gentechnik – ebenfalls in Europa wesentlich stärker umstritten als in den Vereinigten Staaten. Um das Importverbot aufzuweichen, haben die US-Verhandler vorgeschlagen, die EU solle der Initiative »Global Low Level Presence« beitreten und damit die Nulltoleranz von gentechnisch veränderten Organismen (GMO) in Lebensmitteln aufgeben – in Futtermitteln hat die EU bereits Aufweichungen beschlossen. Das erklärte Ziel der Initiative ist es, Chargen mit GMO-Nachweis zwar zu identifizieren, die Schiffe aber zukünftig nicht mehr zurückzuschicken.

Das Resümee der Studie fällt ernüchternd aus: Mit TTIP würden all diese Themen – und zukünftige Entscheidungen etwa über Klonfleisch oder neue gentechnische Verfahren – sicher im Wettbewerbsinteresse und nicht im Sinne der Öffentlichkeit entschieden, so IATP-Expertin Sharma.

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