Werbung

Langer Atem gegen »TØnsberg«

Mahnwachen gegen den rechten Szeneladen in Schleswig-Holstein gehen ins sechste Jahr

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Fünf Jahre lang wurde in Glinde (Kreis Stormarn) vor den Toren Hamburgs kontinuierlich gegen den rechten Szeneladen »TØnsberg« demonstriert, nun gehen die Proteste in die Verlängerung. Die Boutique gehört zum Verkaufsimperium der in der rechten Szene beliebten Modemarke »Thor Steinar«. Die Ladenbetreiber machen keine Anstalten, Glinde trotz abgelaufenen Mietvertrages zu verlassen. Bis es vor dem Landgericht Lübeck zu einer Entscheidung über eine abermalige Räumungsklage kommt, können nun viele Monate vergehen.

Der Widerstand vor Ort gipfelte jahrelang in beinahe täglichen Mahnwachen vor dem Geschäft. Das hat den engagierten Glindern viel Aufmerksamkeit, Anerkennung und auch etliche Preise für Zivilcourage eingebracht. Mit Auslaufen des Mietvertrages zum 1. August blieb die Hoffnung, dass der braune Spuk nun bald ein Ende findet, doch mit einer Mixtur aus Unverfrorenheit und Kalkül öffnet der Laden weiter, füllt sein Sortiment auf und sucht per Zettel im Schaufenster und über das Internet sogar nach neuem Verkaufspersonal. Ein Blick auf die Homepage des Labels Thor Steinar bestätigt dies: Glinde wird weiterhin als Verkaufsstelle genannt, als hätte es den Stichtag 1. August überhaupt nicht gegeben. Bis Monatsende wird sogar eine Rabattaktion beworben.

Die seit 2003 tätige MediaTex GmbH verrichtet als Betreiber nicht nur einen florierenden Onlinehandel mit der rechten Lifestylemarke, sondern wickelt seine Geschäfte neben Deutschland auch in Läden in acht europäischen Ländern ab. Allein in Russland besitzt man eigenen Angaben zufolge mittlerweile 21 Verkaufsstellen, davon 13 in Moskau. In Dresden ist die Ladenmarke mit Namenszusatz »Larvik« erst kürzlich in eine prädestinierte Verkaufslage umgezogen, zudem wurde in der sächsischen Metropole Mitte Mai ein Outlet-Geschäft neu eröffnet. Mit Jahresbeginn hatte der Laden »Haugesund« in Rostock geschlossen, doch die Entwicklung in dem komplizierten Firmengeflecht ist auf Expansion ausgerichtet. In der Vergangenheit wurden Millionengewinne erzielt.

In Glinde wie in Berlin, Chemnitz und Schwerin prangert man auch die Unverfrorenheit seitens MediaTex an, ihren Geschäften den Namen »TØnsberg« zu geben, gab es in der Stadt doch mit der Machtübernahme von Hitlers Wehrmacht in Norwegen von 1942 an ein Konzentrationslager, von wo aus Juden nach Auschwitz deportiert wurden. Ein Thor Steinar-Laden in Hannover trug ebenfalls den Namen, hat aber im vergangenen Sommer dicht gemacht.

Zu der aktuellen Auseinandersetzung in Glinde wird seitens MediaTex geschwiegen. Dort rückt man eher die Suche nach Modemodels für ein in Kürze in Dänemark anstehendes Fotoshooting in den Blickpunkt. Bereits 2012 wurde die Glinder Angelegenheit ein Fall für die Justiz. Vor vier Jahren ging die in Glinde als Mieter auftretende Bestmarke Textil GmbH dabei erfolgreich aus dem ersten Räumungsklageprozess hervor, weil das Landgericht Lübeck es als nicht erwiesen ansah, dass die sich überrumpelt fühlenden Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages arglistig getäuscht wurden.

Die Bürgerinitiative »Glinde gegen rechts« will ihre Mahnwachen und anderen Aktivitäten gegen den ungeliebten Laden fortsetzen. Hans-Jürgen Preuß als deren Sprecher sagt, man habe in den vergangenen Jahren gelernt, dass ein langer Atem nötig sei. Für den 29. August hat sich mit Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) »hoher Besuch« bei der Mahnwache angekündigt. Am 17. September steht der fünfte Jahrestag der Mahnwachen an.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal