Große Koalition einigt sich nicht auf Klimaschutzplan

Erneut verschobene Abstimmung durch das Bundeskabinett ärgert Umweltverbände und die Opposition

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) reist am kommenden Montag nun wohl doch mit leichtem Gepäck nach Marrakesch. Eigentlich wollte die SPD-Politikerin beim laufenden UN-Klimagipfel die Vorhaben Deutschlands bis zum Jahr 2050 erläutern, auch um mehr Einfluss auf die Verhandlungen nehmen zu können. Doch der eigene Parteichef Sigmar Gabriel machte ihr in seiner Rolle als Wirtschaftsminister einen Strich durch die Rechnung: Wegen seines Einspruchs wurde der Beschluss trotz am Dienstagabend beendeter Ressortabstimmung von der Tagesordnung der Kabinettsrunde am Mittwoch genommen.

Offenbar lässt sich der Dauerclinch zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium auch innerparteilich nicht überwinden. Wieder einmal spielt dabei die Zukunft der Braunkohle die Hauptrolle. Gabriel lehnt speziell die von Hendricks gewünschte Einsetzung eines Gremiums zum Kohleausstieg ab: »Mit mir wird es eine solche Kommission nicht geben«, sagte Gabriel der Funke-Mediengruppe. Erst müssten den Regionen, die bislang von der Braunkohle leben, realistische Perspektiven für Ersatzarbeitsplätze gegeben werden, bevor man sich über eine schrittweise Verringerung der Kohleverstromung Gedanken machen könne.

Ein Ministeriumssprecher versuchte die internationale Blamage, die durch die Wahl Donald Trumps freilich überdeckt wurde, kleinzureden. Es gehe nur noch um die Klärung von Detailfragen. Ziel sei es, den Klimaschutzplan bis zum Wochenende in der Regierung endgültig abzustimmen, damit Hendricks Anfang kommender Woche damit nach Marrakesch reisen könne. Der formelle Kabinettsbeschluss soll nach dem Willen von Gabriel, von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Chefs der Koalitionsfraktionen dann am kommenden Mittwoch erfolgen.

Der Klimaschutzplan beinhaltet keine Verpflichtungen, sondern will Wege aufzeigen, wie Deutschland bis Mitte des Jahrhunderts die zugesagte weitgehende Treibhausgasneutralität erreichen kann – Deutschland soll dann nicht mehr CO2 emittieren, als anderer Stelle, etwa durch Wälder, gebunden wird. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Ausstoß gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 55 Prozent bis 2030 und um 70 Prozent bis 2040 zu senken. Dies würde insbesondere für die Sektoren Verkehr, Gebäude, Industrie, Landwirtschaft und Energieerzeugung einen tiefgreifenden Strukturwandel bedeuten. Die drei zuständigen Ministerien haben indes aus dem ersten Entwurf des Umweltministeriums vom April alle konkreten, mit zeitlichen Fahrplänen versehenen Maßnahmen herausgestrichen wie das längerfristige Verbot von Verbrennungsmotoren, die Senkung des Fleischverbrauchs – und eben den notwendigen Kohleausstieg. Dass es selbst gegen den weichgespülten Plan noch Widerstände gibt, zeigt, wie unfähig die Regierung ist, die international verlangte Dekarbonisierung einzuleiten. Neben den direkt betroffenen Ministerien hat insbesondere die Unionsfraktion mit ihrem starken konservativen Wirtschaftsflügel noch immer Bedenken. Insbesondere Passagen über einen Neubaustopp für Kohlekraftwerke und ein Verbot neuer Braunkohletagebaue riefen die Kohlelobby quer durch die Republik auf den Plan. Wieder mal setzte sie sich durch.

Von einem »kohleschwarzen Tag für die Klimapolitik« sprach die Deutsche Umwelthilfe. Das vorläufige Scheitern des Klimaschutzplanes 2050 sei der »Offenbarungseid einer ehemals im Klimaschutz führenden Nation«. Auch die Bundestagsopposition übte scharfe Kritik: Von »kurzsichtigem Duckmäusertum der Regierung gegenüber Einzelinteressen von Autobauern, Energieriesen, Industrie- und Agrarlobby« sprach die Klimaexpertin der Linksfraktion im Bundestag, Eva Bulling-Schröter. Nun aber wäre es besser, die Strategie nach der Weltklimakonferenz in Marokko in Ruhe erneut zu beraten. Es brauche starke Ziele für die einzelnen Wirtschaftsbereiche und verbindliche Termine vor allem für den Kohleausstieg.

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