Bericht: Reiche leben länger als Arme

Männer an der Armutsgrenze sterben 10,8 Jahre früher als wohlhabende Männer / Armutsquote auf 15,7 Prozent gestiegen

  • Lesedauer: 2 Min.

Hamburg. Die Unterschiede in der Lebenserwartung von armen und wohlhabenden Menschen in Deutschland vergrößern sich. Dies ist ein Ergebnis des jährlichen Armutsberichtes des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und anderer Sozialverbände, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wird. »Die Lebenserwartung steigt für die wohlhabenden Menschen in jedem Jahr stärker als für die ärmeren Menschen, und deshalb vergrößert sich der Abstand. Die Schere geht weiter auseinander«, erklärt der Vorsitzende des Paritätischen, Rolf Rosenbrock.

Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) sterben Männer, die an oder unter der Armutsgrenze leben, im Schnitt 10,8 Jahre früher als wohlhabende Männer. Bei Frauen betrage der Unterschied etwa acht Jahre. Der Untersuchung zufolge haben arme Männer eine durchschnittliche Lebenserwartung von 70,1 Jahren, wohlhabende Männer von 80,9 Jahren. Bei Frauen liegen die Zahlen bei 76,9 Jahren bzw. 85,3 Jahren.

Als Gründe für die immensen Unterschiede nannte Rosenbrock ein riskanteres Gesundheitsverhalten in Bezug auf Ernährung, Bewegung, Rauchen und Alkohol. Doch das ist nach Einschätzung des Paritätischem nur die halbe Wahrheit. »Die Menschen sterben auch früher, weil sich der psychische Druck durch die insgesamt beengte Lebenssituation und meist auch schlechtere Arbeitsbedingungen oder auch durch Arbeitslosigkeit negativ auf das eigene Leben und die Möglichkeiten der Teilhabe auswirkt«, so Rosenbrock.

Die Unterschiede zwischen Armen und Wohlhabenden fallen gerade in Bezug auf schwerwiegende chronische Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes oder chronisch-obstruktive Lungenerkrankung deutlich aus. »Wir können davon ausgehen, dass das Risiko, an diesen Erkrankungen zu erkranken, zwei bis drei Mal höher ist bei Personen, die von Armut betroffen sind«, erläutert Thomas Lampert vom RKI.

Das frühere Sterben der Armen führe bei der Rente zu einer Umverteilung von unten nach oben, meint Rosenbrock: »Die armen Menschen, die ihr Leben lang Beiträge zur Rentenversicherung bezahlt haben und dann im Durchschnitt vielleicht noch vier, fünf Jahre die Rente genießen können, finanzieren im Grunde genommen die Rente der wohlhabenderen, länger lebenden mit. Und das ist, wenn man genau hinguckt, natürlich ein sozialpolitischer Skandal erster Güte.«

2015 habe die sogenannte Armutsquote auf 15,7 Prozent zugelegt, heißt es in dem Bericht weiter. Das bedeute, dass rein rechnerisch 12,9 Millionen Deutsche arm seien. »Das markiert einen neuen Höchststand im vereinten Deutschland«, schrieben die Autoren. Der Paritätische forderte ein energisches Einschreiten des Staats, um die Armutsentwicklung umzukehren. Es sei Zeit für einen »sozial- und steuerpolitischen Kurswechsel«. Erforderlich seien eine andere Steuer- und Finanzpolitik sowie Maßnahmen beim Wohnungsbau, in der Arbeitsmarktpolitik und beim Ausbau sozialer Dienste. nd

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