Zuerst ist Karlsruhe am Zug

Sachsen-Anhalt braucht ein neues Kita-Gesetz, will aber auf Vorgaben vom Bundesverfassungsgericht warten

  • Dörthe Hein, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) warnt davor, bei der Überarbeitung des Kinderförderungsgesetzes nur auf die Finanzen und Zuständigkeiten zu schauen. Sie setzt vielmehr auch auf den Faktor Qualität. »Wir dürfen nicht zulassen, dass die anderen Bundesländer uns mit der Qualität und im Bereich der Gebührenfreiheit abhängen. Denn die gehen jetzt ganz forsch ran. Damit wir bestehen, müssen wir Qualitätsstandards einhalten«, sagte Grimm-Benne in Magdeburg. Ihr gehe es dabei vor allem um das Betreuungsverhältnis von Erziehern und Kindern.

An diesem Mittwoch wird sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit den Zuständigkeiten für die Kitas in Sachsen-Anhalt befassen. Diese waren 2013 von den Gemeinden auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen worden. Ursprünglich sollten die Gemeinden trotzdem zur Hälfte die Kosten tragen - diese Regelung hatte das Landesverfassungsgericht aber bereits im Oktober 2015 gekippt. In Karlsruhe geht es noch um die Frage, ob die Neuordnung zu stark in das grundgesetzlich verankerte Selbstverwaltungsrecht der Kommunen eingreift. Grimm-Benne, die selbst vor dem Verfassungsgericht sprechen wird, sieht die damalige Entscheidung nach wie vor als richtig an.

Die Urteilsfindung der Karlsruher Richter, die erfahrungsgemäß einige Monate in Anspruch nimmt, wird den Gesetzgebungsprozess in Sachsen-Anhalt nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich beeinflussen. »Ich fände es sehr fahrlässig, wenn wir den Gesetzentwurf erarbeiten, ohne die richterliche Entscheidung abzuwarten«, sagte Grimm-Benne. Und auch der Wahlkampf bis zur Bundestagswahl im September spiele eine Rolle: »In der Koalition haben wir uns entschieden, dass wir den Gesetzentwurf erst nach der Bundestagswahl vorlegen.« Ursprünglich war das schon für das Frühjahr geplant.

Die Ministerin sagte weiter: »Wir müssen das Zwei-Lesungs-Prinzip im Landtag einhalten und wir hoffen, dass wir es im Dezember durch den Landtag bekommen.« Auf jeden Fall gelte: »Wir wollen die Fristen so einhalten, wie sie uns vorgegeben sind.« Das Landesverfassungsgericht hat dem Land bis Ende 2017 eine Neuregelung des KiFöG aufgetragen.

Zur Novellierung sagte Grimm-Benne: »Wir werden nichts machen, was zu weiteren Gebührenanhebungen führt. Wir halten die Qualitätskriterien, die jetzt im Gesetz stehen, und wollen darum kämpfen, dass der Betreuungsschlüssel tatsächlich eingehalten wird.« Bislang seien die Zeiten nicht einkalkuliert, in denen Erzieherinnen krank sind, in Weiterbildung oder im Urlaub. »Wir überlegen verschiedenste Varianten, wie man das nach und nach umsetzen kann.« Es gehe darum, dass tatsächlich - wie auf dem Papier - eine Krippenerzieherin auf fünf Kinder kommt, bei den über Dreijährigen dann auf zwölf Kinder.

Einer möglichen Gebührenfreiheit erteilte die Ministerin für Sachsen-Anhalt vorerst eine Absage: »Die Wünsche nach der Gebührenfreiheit sind in der Gesellschaft verankert. Auch im politischen Raum könnte man einen Konsens bekommen. Dann kommt das große Aber der Finanzierung. Und da muss man ganz ehrlich sagen: Wir können das nicht schaffen ohne den Bund.« Eine Deckelung der Kosten für die Eltern auf der Höhe des Kindergeldes peile sie an.

Grimm-Benne erwartet, dass es auch eine Diskussion über den Ganztagsanspruch von bis zu zehn Stunden täglich für alle Kinder geben wird. »Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss möglich sein. Das setzt Öffnungszeiten voraus, die dem Anspruch Genüge tun, wenn die Eltern mehr Stunden brauchen.« dpa/nd

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal