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Wälder wie Zunder

In Portugal brennt es weiter. Schuld am Inferno sind auch Monokulturen und die Austeritätspolitik

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Portugal steht unter Schock. Das Land trauert um mindestens 64 Menschen, die bisher in den verheerenden Bränden im Zentrum des Landes ums Leben gekommen sind. Und diese Zahl kann weiter steigen. Noch immer werden Menschen vermisst, sind Dörfer eingeschlossen und, einige der mehr als hundert Verletzten haben schwere Verbrennungen erlitten. Der sozialistische Regierungschef António Costa hat eine dreitägige Staatstrauer angeordnet, die am Montag begann, und spricht von einer »dramatischen Situation« vor allem im Umfeld der Kleinstadt Pedrogao Grande, die knapp 200 Kilometer nordöstlich von Lissabon liegt.

Dort, so erklärte der Chef des Zivilschutzes Elísio Oliveira, sei die Lage »besorgniserregend«, denn noch immer wüteten dort die Flammen. Die Brandbekämpfung entwickele sich trotz der »ungünstigen Witterungsbedingungen« aber positiv. Portugal erleidet derzeit - wie die gesamte Iberische Halbinsel - eine ungewöhnlich frühe und starke Hitzewelle mit Temperaturen von fast 40 Grad, zu denen sich heftiger Wind gesellt. Der hat die rasende Ausbreitung der Flammen vorangetrieben. Dichter Rauch behindert immer wieder die Löscharbeiten. Löschflugzeuge konnten bisweilen deshalb kaum eingesetzt werden.

Obwohl Portugal in Brandsommern schon einiges erlebt hat, spricht der Regierungschef von einer »nicht vergleichbaren« und »einzigartigen Situation«. Costa kündigte lückenlose Aufklärung an: »Das Land hat das Recht zu erfahren, wie es zu dieser Tragödie gekommen ist.« Er ist am Sonntag ins Brandgebiet gefahren, um den Betroffenen zur Seite zu stehen. Er dankte dort für die »Welle der Solidarität« mit den Opfern und denen, die sich »mit Leib und Seele« den Flammen entgegenstellen.

Er appellierte an die Bewohner in den Brandgebieten, den Anweisungen zur Evakuierung zu folgen. Anders als bisher angenommen, sei die Mehrzahl der Menschen in ihren Häusern verbrannt. Allerdings sind auch 30 Menschen auf der Flucht vor den Flammen auf der Nationalstraße 236 in ihren Autos zwischen Figueiró dos Vinhos und Castanheira de Pera verbrannt, da der Wind plötzlich die Richtung gewechselt haben soll. Ihr Fluchtweg habe sich in eine tödliche Falle verwandelt. Ein Dutzend verkohlte Fahrzeuge sind auf dieser Straße gefunden worden. Der Zivilschutz geht davon aus, dass ein Blitz eines Trockengewitters den Brand ausgelöst hat. Danach hätten sich Brände durch drehende Winde schnell in verschiedene Richtungen ausgebreitet. Das haben Augenzeugen bestätigt, die auch überrascht wurden und nur durch ein »Wunder« am Leben geblieben seien.

Für Beobachter handelt es sich um eine Tragödie mit Ansage. So fragt die Zeitung »Público«, was schiefgelaufen sei. »Alles, wie seit Jahrzehnten«, antwortet sie selbst. Der Wald habe sich in ein »riesiges Pulverfass« verwandelt. So spricht der Experte Paulo Fernandes, Forscher an der Universität Trás-os-Montes, von einem »Totalausfall«. Es gibt diverse Faktoren, die Brände begünstigen. Da sind die massiven Klimaveränderungen, die die Iberische Halbinsel längst hart treffen.

Zu Trockenheit und extremen Temperaturen kommen noch Monokulturen aus Eukalyptus und Fichte für die Papierindustrie hinzu, die wie Zunder brennen. Die Gemengelage wird noch explosiver, da in den langen Austeritätsjahren vor allem an Prävention gespart wurde. Unter anderem hat sich viel Unterholz angehäuft. Damit ist klar, warum Brände sich schnell ausbreiten und zudem noch schwerer zu bekämpfen sind. Die Versäumnisse auf allen Ebenen gingen Jahrzehnte zurück, meint auch ein Experte vom Agrarinstitut, José Miguel Cardoso Pereira. Man sei stets nur auf den unmittelbaren Vorgang fokussiert, mahnt er endlich einen langfristigen Blick aus Prävention, Waldbewirtschaftung und Brandbekämpfung an.

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