… dann würde ich die AfD wieder wählen

Linke teilen im Netz kräftig gegen die AfD aus. Das ist kontraproduktiv, denn es holt den Protest- und Wechselwähler nicht von den Rechten zurück.

  • Roberto De Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.

»Weidel (AfD/«Nazischlampe») hat mich wegen eines kritischen Kommentars blockiert.« Diese Sentenz ist nicht von mir! Das möchte ich gleich mal klarstellen. Diese Meldung empfing mich neulich auf der Startseite meines Facebook-Zugangs. Eine Nutzerin mit Linkspartei-Logo im Konterfei ereiferte sich: Sie sah darin die »Meinungsfreiheit nach Art der AfD« am Werk. Manchmal macht man große Augen – wie vermessen, ja wie selbstgerecht im linken Milieu mit dem Phänomen der AfD umgegangen wird. Diese Statusmeldung ist mehr als überheblicher Schwachsinn. Sie ist ein Alarmsignal! Wenn die Linken im Lande mit dieser Attitüde auftreten, verlieren sie den Kampf gegen den Rechtsruck.

Solche Meldungen gibt es eine Menge. Als linker Blogger pflege ich natürlich eher linke Filterblasen in den Netzwerken. Dagegen kann man leider wenig machen: Es sind ganz offenbar nicht die Gegensätze, die sich im Netz anziehen. Es sind die Gleichheiten. Wobei ich mich dieser Tage echt frage, was mich weltanschaulich mit Leuten verbindet, die die AfD so selbstherrlich anpacken.

Natürlich lehne ich diese Partei und ihre Vorstellungen ab. Mir wäre auch lieber, es gäbe sie nicht. Sie ist aber nicht einfach so entstanden, sondern ist in das durch die Postdemokratie entstandene Vakuum vorgedrungen. Dort hat sie eine Nische besetzt. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Ohne viel Emotionen. Die Protagonisten dieser Partei sind teilweise widerliche Hetzer, paradoxe Gestalten, die Ausländer ablehnen, aber sich ihr Badezimmer schwarz von Asylbewerbern putzen lassen. Was sonst als Ablehnung kann man da empfinden?

Das alles rechtfertigt aber nicht, wie viele Linke da draußen mit dem Phänomen umgehen. Es gibt keine Berechtigung, jemanden als »Nazischlampe« zu beschimpfen. Die oben genannte Nutzerin rechtfertigte sich, dass ein Gericht entschieden habe, dass Weidel damit leben muss. Dass es eine Satiresendung war, die diese Beleidigung nutzte – so what? Was haben Statements bei Facebook mit Satirikern zu tun? Kriegen die Leute eigentlich noch einfache Zusammenhänge hin? Außerdem ist es taktisch unklug, etwaige Sympathisanten und Wähler dieser Rechtsalternativen zusammenzustauchen und sie für geistig unzurechnungsfähig zu halten.

Ich stelle mir vor, ich wäre Wähler der AfD und würde lesen, dass da eine Nutzerin mit einem Profilbild, auf dem das Logo der Linkspartei zu sehen ist, eine Politikerin der AfD mit »Nazischlampe« tituliert. Weckte mich das auf? Sensibilisierte mich das? Oder würde ich mich, Protestwähler, der ich vielleicht Ende September gewesen wäre, nicht noch fester an diese an sich programmatisch unzureichende Partei klammern? Jede Beleidigung ist doch für das Umfeld dieser Partei eine Bestätigung dafür, dass die AfD ein Opfer ist, unfair behandelt wird und die Linken einen Schatten haben.

Und genau dieser Umstand ist nicht nur ärgerlich – er ist tragisch. Denn wenn sich Wähler nur deshalb an die AfD binden, weil sie von der politischen Konkurrenz angewidert wegblicken, dann umgeht man das Projekt der Stunde: Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen, sie flexibel zu halten für kommende Wahlen. Diese Menschen sind ja nicht verloren. Sie wollen gehört werden, neue Perspektiven erhalten, ein bisschen Gerechtigkeit. Ihre aktuelle Wahl runterzumachen, die Akteure, denen sie ihre Stimmen gaben, beleidigend gegenüberzutreten: So verliert man diese Leute ohne Not.

Es gilt ja unter Linken momentan als nicht gerade chic, dass man den Antrieb von Wählern der AfD verstehen will. Aus einer linken Befindlichkeit heraus, lehnt man die Analyse ab und setzt Verstehenwollen mit Verständnis und mit Querfront gleich. Das ist eine gefährliche Haltung, denn sie schafft zukünftige Andockstellen für die AfD. Nicht, dass andere Parteien nicht auch Fehler machen im Umgang mit der neuen Situation. Während sie weiter am neoliberalen Arbeitsmarkt und Sozialwesen basteln, hegen Linke vielfach einen fehlerhaften Umgang mit der Moral.

Sie sollten sich sagen lassen, dass jeder sein Scherflein zum Rechtsruck beträgt. Der AfD-Wähler tut es logischweise. Aber sein politischer Gegenspieler von links, der mit seiner verständlichen Wut austeilt und so die Fronten verhärtet, der wirkt leider auch mit.

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