Werbung

Die Potsdamer barocke Glasindustrie

Sonderausstellung endete. Im Katalog ist die Geschichte nachzulesen

  • Ronald Spraffke
  • Lesedauer: 4 Min.

Es funkelt und strahlt, es bricht das Licht und ist selbst zerbrechlich - Glas. Das Potsdam-Museum hatte in einer Sonderausstellung bis zum Wochenende seine Glassammlung geöffnet. Von den 35 barocken Pokalen, Kelchen und Bechern wurden 17 Gefäße in Potsdam hergestellt. Doch Potsdamer Glasmacherkunst ist heute ein weitgehend unbekannter Teil brandenburgischer Geschichte. Die letzte umfangreiche Ausstellung zum brandenburgischen Glas wurde 1913 im Berliner Kunstgewerbemuseum präsentiert. Nun zeigte das Potsdamer Museum 20 barocke Gläser aus eigenem Bestand, ergänzt durch knapp 80 Leihgaben von 23 anderen Museen und von Privatsammlern.

Kurfürst Johann Georg ließ 1575 die erste Glashütte im uckermärkischen Grimnitz bauen. Die Folgen des Dreißigjährigen Krieges waren aber für die Glasproduktion verheerend. Mit Kurfürst Friedrich Wilhelm kam danach der Durchbruch. Die Förderung der Glasindustrie war Teil seines Konjunkturprogramms, und die waldreiche Umgebung der Residenz Potsdam war bestens geeignet, da für die Glasherstellung Brennholz benötigt wurde. Der Kurfürst gründete 1674 unweit von Potsdam die Glashütte Drewitz. Ein Becher aus grünlichem Glas mit Zepter und Krone und einem Trinkspruch auf den Herrscher eröffnete den Gläserreigen.

Vier Jahre später folgte die Glashütte auf dem Hakendamm an der Nuthe. Holz, Sand und Wasser waren genug vorhanden, die nötigen Glasexperten wurden angeworben. Die schillerndste Person unter ihnen war Johann Kunckel (um 1635-1703, auch Johannes und Kunkel geschrieben). Er hatte bereits als Alchemist, Apotheker und Glasbrenner gewirkt. Ab 1667 arbeitete er in Dresden und experimentierte dort auch als Goldmacher. Kurfürst Friedrich Wilhelm holte ihn 1678 nach Brandenburg. Mit Kunckel ist die kurze, aber höchst erfolgreiche Blüte der hiesigen Glasmacherkunst verbunden. Kunckel gelang die Herstellung von Kristallglas in einer zuvor nicht gekannten Qualität. Die Härte und durchscheinende Klarheit des Materials ermöglichten meisterhafte Glasschnittmotive. Potsdamer Kristallglas konnte mit Stücken aus Venedig konkurrieren, die bis dahin das Beste waren, das die europäische Glasherstellung zu bieten hatte.

Aus den Inventaren lässt sich eine jährliche Produktion von 30 000 bis 50 000 Stück errechnen. Neben Luxusglas ist auch Glas für den Alltagsgebrauch verzeichnet. 1685 schenkte der Kurfürst Kunckel die Pfaueninsel in der Havel, wo er im eigenen Laboratorium ungestört experimentieren konnte. Die Neuerfindung der Goldrubinglasherstellung war eine echte Sensation. Kunckel schrieb, es sei ihm gelungen, die »Composition zu treffen und zu finden, wie man es beständig roth kriegen sollte.« Beständig, nicht zufällig wie bei seinen Vorgängern, gelang es Kunckel, seine Rezepturen vom Laborexperiment in die Produktion zu überführen.

Die Rezepturen zur Glasherstellung waren bis dahin streng gehütete Geheimnisse. Dem stellte sich Kunckel entgegen. In dem 1679 publizierten Kompendium »Ars vitraria experimentalis, Oder die vollkommene Glasmacher-Kunst« (ein Exemplar ist ausgestellt) sammelte, übersetzte, kommentierte und berichtigte er das vorhandene Wissen seiner Zeit und schrieb es mit eigenen Forschungsergebnissen fort. Darin machte er die Rezepturen zur Glasherstellung publik, mit einer Ausnahme: Über das Experimentieren mit Goldrubinglas ist zu lesen, das habe »gar viel Zeit, Müh und Arbeit gekostet« und dass man es ihm nicht verdenken dürfe, dass er dieses Rezept daher nicht veröffentliche. Das wurde 13 Jahre nach seinem Tod im Jahr 1716 nachgeholt.

Als der Große Kurfürst 1688 starb, brachen für Kunckel schwierige Zeiten an. Bei Kurfürst Friedrich III. fiel er in Ungnade. Die Potsdamer Glashütte arbeitete aber erfolgreich weiter. Selbst Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1713-1740), bekannt als Feind von Prunk und Luxus, investierte weiter in die Glasproduktion. Sicher gehörte dem Glas nicht seine große Liebe, aber er nutzte es als Exportartikel und zur Repräsentation, und seine Gemahlin Sophie Dorothea war eine leidenschaftliche Glasliebhaberin. 1736 verlagerte der König die Glasproduktion von Potsdam nach Zechlin bei Rheinsberg. Im Gegensatz zur abgeholzten Potsdamer Umgebung war dort noch genügend Holz zum Feuern der neuen Glashütte vorhanden. Für Potsdam bedeutete dies das Ende der Glasherstellung.

König Friedrich II. und nach ihm König Friedrich Wilhelm II. brachen mit dem Glas. Beide zeigten kein Interesse daran. Wie es danach doch sehr erfolgreich weiterging mit der Brandenburgisch-Preußischen Glasproduktion und Gläserpräsentation, kann man im Ausstellungskatalog nachlesen.

Der Katalog »Gläserne Welten. Potsdamer Glasmacher schneiden Geschichte«, Imhof Verlag, 183 Seiten ist zum Preis von 19,50 Euro zuzüglich 3,50 Euro Versandkosten zu beziehen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal