Furcht vor Jobverlusten ist wieder da

Forscher empfehlen, den Mindestlohn wegen der Lage in Ostdeutschland nur maßvoll anzuheben

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Gleich zwei große Projekte wird die Mindestlohnkommission in diesem Jahr stemmen. Da ist zum einen der Mindestlohn an sich. Laut Gesetz soll die Kommission alle zwei Jahre über »Anpassungen« der Lohnuntergrenze beraten. Der letzte Beschluss, den Mindestlohn auf die jetzigen 8,84 Euro anzuheben, fiel im Jahre 2016. In diesem Jahr könnte das Gremium, in dem jeweils drei Vertreter von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen sowie zwei wissenschaftliche Berater sitzen, eine neue Höhe festlegen, die dann zum 1. Januar 2019 in Kraft treten soll.

Zudem soll die Kommission ihren zweiten Bericht zu den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns bis Ende Juni 2018 präsentieren. Insofern könnte die Stellungnahme des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) über »Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohnes« einige Anregungen für das Gremium enthalten. Das IAB ist immerhin das offizielle Forschungsinstitut des Bundesagentur für Arbeit.

Die schlechte Nachricht vorweg: Das IAB warnt vor einer »überproportionalen Anhebung des Mindestlohnniveaus«. Dabei liest sich der Bericht wie eine Aneinanderreihung von Argumenten für eine deutliches Heraufsetzen der Lohnuntergrenze. So habe der Mindestlohn kaum negative Folgen für die Beschäftigung gehabt, betont das IAB. Zudem sei es »wenig wahrscheinlich, dass von einer weiteren Anhebung des Mindestlohns ein markanter negativer Beschäftigungseffekt ausgehen würde, selbst wenn diese über der allgemeinen Lohnentwicklung liegen würde«, unterstreichen die Forscher.

Doch »die Arbeitsmärkte unterscheiden sich zwischen Ost- und Westdeutschland weiterhin beträchtlich«, warnt das IAB. So stehe zu befürchten, dass insbesondere in den peripheren Regionen Ostdeutschlands »sich ungünstige Beschäftigungsentwicklungen verstärken könnten«. Als möglichen Ausweg sehen die Forscher eine eigenen, niedrigeren Mindestlohn Ost. Jedoch würde dieser die politischen Bestrebungen konterkarieren, die Lohnniveaus zwischen Ost- und Westdeutschland anzugleichen. Aus Rücksicht auf die neuen Länder soll der Mindestlohn deshalb deutschlandweit nur moderat steigen, empfehlen die Forscher.

Zudem sei man sich in der Forschung unsicher, welche Effekte sich bei einer schwächeren Arbeitsmarktentwicklung einstellen könnten. Als weiteren wichtigen Punkt führt das IAB Probleme mit der Einhaltung des Mindestlohns auf. »Für Deutschland legen mehrere neuere Studien nahe, dass der Mindestlohn in nennenswertem Ausmaß unterschritten oder umgangen wird«, so das IAB.

Jüngst meldete das Deutsche Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dass sich positive Effekte des Mindestlohns bei der untersten Einkommensgruppe zwar bei den Stundenlöhnen bemerkbar machten, bei den Monatslöhnen aber weniger und bei den Jahreslöhnen gar nicht. Der Mindestlohn führe demnach dazu, dass Firmen ihre Niedriglohnjobber weniger arbeiten lassen bzw. Menschen mit einem 450-Euro-Job ihre Arbeitszeit reduzieren, um die Verdienstgrenze nicht zu überschreiten. Der Mindestlohn habe also »bisher nur bedingt dazu beigetragen, die Monatslöhne von GeringverdienerInnen zu erhöhen und diese damit in die Lage zu versetzen, ihren Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu erwirtschaften«, resümiert das DIW.

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