Kollegah und Kollegen

Der Echo war von Anfang an ein Preis der Verkaufszahlen würdigte und nicht künstlerischer Qualität, meint Roberto J. De Lapuente.

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.

Deutschland wird zu einem Land ohne Echo-Gewinner. Man könnte auch sagen: Der Echo, er gehört nicht mehr zu Deutschland. Nach diesem widerlichen Auftritt von den Rappern Kollegah und Farid Bang wurde der Musikpreis zu einer toxischen Auszeichnung. Was vom Echo blieb ist nichts als der Widerhall empörter Preisträger von heute wie gestern, der da hallte: Ich gebe meinen Echo zurück … zurück … rück … ück. An sich ist es ja löblich, wenn da Preisträger Haltung zeigen, insbesondere gegen pietätlose Geschmacklosigkeiten wie jenen, die die beiden Rapper da fabrizierten. Alleine gibt es da ein Missverständnis: Der Echo wurde nicht als ästhetischer Preis ersonnen – von einem moralischen Grundton mal völlig abgesehen. Denn der Preis folgt nämlich einer ganz anderen Moral als jener, die wir aus der Philosophiestunde als Ethik kennen.

Der Echo war von Anfang an als ein Preis gedacht, der nicht die Qualität eines Albums, Künstlers oder Songs ins Auge fasste, sondern deren quantitative Verwertung auf dem Markt. Sprich: Die Verkaufszahlen waren stets von Belang. Es sollten nicht Harmonien, stimmliche Kraft oder musikalische Innovation zur Prämierung herangezogen werden - man vertrat bei den Gründern des Musikpreises eine klare Marktgläubigkeit: Was in den Charts oben steht, das müsse gewissermaßen Qualität bezeugen. Der Verkaufserfolg als Kennzahl für ein Gütesiegel. Wer sich auf dem Markt durchsetze, der stehe da ja nicht zufällig, sondern weil er was kann: Die Ideologie der Marktwirtschaft neigt nun mal dazu, Quantitatives mit Qualitativem gleichzusetzen.

Verkauft sich ein Album eines Künstlers aber nur deshalb so gut, weil das Plattenlabel eine gute PR-Strategie austüftelte, einen griffigen Werbespot filmte oder die sozialen Netzwerke gut anfütterte, gebührt der Echo ja eigentlich eher dem Vertrieb und den Verkaufsprofis, als demjenigen, der die Songs eingesungen oder geschrieben hat. Dieser Umstand in das Manko des besagten Preises, das man in den letzten beiden Jahren zwar abgefedert hat, indem man eine Jury vorsetzte, welche aber letztlich nur jenen Mechanismus aushebelte, den Spitzenreiter im jeweiligen Ranking nicht automatisch einen Preis zukommen zu lassen. Die Jury durfte nun unter den Bestplatzierten auszuwählen. Grundsätzlich geht es aber auch mit Jury noch immer um die Auszeichnung von ertragreichen Musikprodukten, weniger um die Adelung von guter Musik unter ästhetischen Gesichtspunkten.

Ein bisschen ist die abendliche Echo-Verleihung daher wie die Protzerei einer Branche und ihrer Künstler, die sich nicht ihrer Kunst wegen feiern, sondern der Käuferzahlen wegen. Es ist die arrogante Zurschaustellung eines Kunstbegriffs, der sich rein kommerziell definiert und musikalische Aspekte hintanstellt. Bei anderen Kunstpreisen, ob nun beim Oscar oder dem Deutschen Filmpreis etwa, ist das anders. Dort sind die Zuschauerzahlen nebensächlich. Beim Echo aber treffen sich die Babos der Branche, die Checker des Bling-Bling. Sie zelebrieren im Grunde nur das, was Rapper wie Kollegah weitaus ungenierter darstellen.

Die Rapperszene begreift sich ja nicht als Subkultur, die der Kapitalisierung des Alltags ein Gegenkonzept, ein bisschen Revolte, entgegensetzen möchte. Ganz im Gegenteil, Rapper zeigen ihren Klunker, sie kokettieren mit ihrem Erfolg und suggerieren damit, dass jeder den Aufstieg schaffen kann. Jay-Z wird beispielsweise nicht müde zu betonen, dass er aus schwierigen Verhältnissen kam, aber trotzdem groß wurde. Wer es nicht packt, der hat es letztlich selbst verbockt. Der Rap ist nicht Sozialkritik, er begreift die Gesellschaft nicht als Gemeinwesen, sondern als Ansammlung von Einzelgängern, die ihr Glück machen können, wenn sie nur wollen. Rap ist der Sprechgesang des Zeitgeistes. Die Allüren der Stars dieser Musiksparte spiegeln das wider.

All diese Stars, die am Abend der Echos so tun, als würden sie nicht für Absatzzahlen, sondern für ihre künstlerische Außerordentlichkeit ausgezeichnet, sind dem Verhalten von Kollegah kollegial zur Seite gestellt. Mit einem Unterschied: Diese Rapper tun gar nicht erst so, als seien sie die ästhetische Krone der Musik. Für sie zählt nur der Zaster – und der Echo ist ja nun nichts anderes als ein Zasterpreis, ein Bling-Bling das so tut, als sei Absatz Ästhetik. Und wer dann mit Geschmacklosigkeiten Aufmerksamkeit erzeugt, spürt die breite Front der Echo-Sieger, die keine mehr sein wollen. Man sollte ihnen mal erklären: Um guten Geschmack ging es bei ihrer Würdigung nie.

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