Silizium statt Kohlenstoff

Zwischen Nanotechnologie und Spezialchemie - neue Tricks für bessere Batterien. Von Uwe Kerkow

  • Uwe Kerkow
  • Lesedauer: 5 Min.

Immer mehr lebenswichtige Bestandteile unserer Zivilisation hängen von einer sicheren Stromversorgung ab. Aber nicht immer und überall kann man auf das Stromnetz zurückgreifen. Außerdem erfordert der steigende Anteil von Solarstrom und Windenergie Möglichkeiten, große Strommengen zu speichern. Und schließlich wird durch die wachsende Elektromobilität der Bedarf an leichten Stromspeichern mit hoher Energiedichte steigen. Die Stromspeicher müssen ohne Gefahr und allzu hohen Wartungsaufwand sehr oft ge- und entladen werden können. Sichere und leichte Akkus, die viel Energie liefern, werden immer wichtiger. Bei all dem sollen sie auch noch preiswert und möglichst umweltfreundlich in der Herstellung sein.

All diese Ziele sind bei der aktuellen Batterietechnik noch längst nicht verwirklicht. Autobatterien zum Beispiel sind preiswert und zuverlässig. Aber sie enthalten giftiges Blei und ätzende Schwefelsäure und liefern im Vergleich zu ihrem ziemlich hohen Gewicht recht wenig Strom. Die vor allem in mobilen elektronischen Geräten verbreiteten Lithium-Ionen-Akkus sind wesentlich teurer, liefern dafür allerdings auch bedeutend mehr Energie pro Kilogramm. Doch sie sind nicht ungefährlich, denn Lithium ist brennbar, die Akkus können sogar explodieren. Nach mehreren Vorfällen mit brennenden Akkus transportieren Flugzeuge keine größeren Lithium-Akkus mehr. Und viele der technisch sehr diversen Kraftspender enthalten zudem ebenfalls giftige Substanzen und sind nach Gebrauch nur noch Sondermüll.

Deshalb gibt es derzeit einen Wettlauf von Forschern und Unternehmen, Stromspeicher zu entwickeln, die preiswert, ungefährlich und umweltfreundlich sind. Überdies sollen sie kompakt und leicht sein und trotzdem viel Strom liefern. Und sie sollten nach Möglichkeit keine flüssigen Bestandteile mehr enthalten.

Um Batterien grundlegend zu verbessern, müssen alle Bestandteile des Energiespeichers unter die Lupe genommen werden: Zum einen kommt es auf den Elektrolyt an, den man sich bei modernen Lithium-Akkus als eine Art metallhaltigen Matsch vorstellen muss. Von ihm hängt wesentlich ab, wie viel Energie der Akku speichert und wie schnell Auf- und Entladung stattfinden können.

Der zweite Knackpunkt ist die positiv geladene Anode, zu der die negativ geladenen Elektronen hinfließen. Sie besteht in der Regel aus Graphit, einer relativ bröseligen - und ebenfalls brennbaren - Variante des Kohlenstoffs. Um die Anode dreht sich die Forschung an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Sandra Hansen möchte statt Graphit Silizium in den Anoden von Batterien und Akkus verbauen, weil das Material etwa zehn Mal leistungsfähiger ist. »Außerdem ist Silizium fast unbegrenzt verfügbar, denn es ist nach Sauerstoff das zweithäufigste Element in der Erdkruste«, betont Hansen.

Doch vorher müssen noch einige Besonderheiten des neuen Materials technisch bewältigt werden. »Silizium ist sehr empfindlich, was die Lebensdauer einer Siliziumanode bisher stark verkürzt hat«, berichtet Hansen. »Um nun Silizium für den Akku verwenden zu können, haben wir daraus feinste Drähte beziehungsweise Fasern gemacht, von denen jede weniger als einen zehntausendstel Millimeter dünn ist.« So hat Hansen nicht nur die für praktische Anwendbarkeit nötige Stabilität des brüchigen Materials erreicht, sondern auch die Probleme bewältigt, die die starke, 400-prozentige Ausdehnung des Siliziums während des Batteriebetriebs verursacht. »Aber das Silizium hat neben der viel höheren Dichte noch einen weiteren Vorteil«, hebt Hansen hervor. »Sollte eine unserer Batterien in Brand geraten, wirkt verbranntes Silizium, also Siliziumoxid brandhemmend.« Das mache die Kraftpakete aus Kiel sicherer.

»Über 400 Lade- und Entladezyklen haben wir schon geschafft und sind jetzt bei einer Energiedichte von 3150 Milli-Amperestunden pro Gramm (mAh/g) Anodengewicht angekommen«, freut sich Hansen. Maximal seien etwa 4200 mAh/g möglich. Das entspreche ziemlich genau der Leistungsfähigkeit des lithiumhaltigen Elektrolyts. »Wenn noch mehr Leistung erreicht werden soll, müssen wir auch das Lithium ersetzen«, gibt Hansen zu bedenken. Selbstverständlich werde weltweit an der Post-Lithium-Generation geforscht. Denn das Alkalimetall sei selten und teuer, und andere Materialien könnten - zumindest theoretisch - deutlich mehr elektrische Energie speichern.

So hat man es zum Beispiel mit der Zugabe spezieller Chemikalien und Salze versucht oder damit, Lithium durch Magnesium zu ersetzen. Das ist nicht so leicht entflammbar und eine wesentlich höhere Energiedichte hätte es ebenfalls. Auch die Bundesregierung hat im Rahmen der Forschungsinitiative Energiespeicher eine Magnesium-Schwefel-Kombination erforschen lassen. Aber während die geladenen Lithiumteilchen zügig durch den Akku flitzen, bewegt sich Magnesium wie in Honig. Und in den 25 Jahren, in denen an Magnesiumelektrolyten geforscht wird, haben sich die Schwierigkeiten vervielfacht. Vor allem ist bis heute keine geeignete Kathode gefunden worden. Die Kathode ist das dritte zentrale Bauteil eines Akkus, der negativ geladene Pol, von dem aus die Elektronen ihre Reise starten.

Für die Siliziumbatterie hat die Kieler Materialwissenschaftlerin bereits einen Partner in der Wirtschaft gefunden, der beim Bau von Solarzellen viele Erfahrungen mit Silizium gesammelt hat. Man forscht zusammen bereits an einem Produktionsverfahren. »Gleichzeitig denken auch wir natürlich schon über den nächsten Schritt nach«, stellt Hansen klar. In Kiel wird daher am Einsatz von Natrium statt Lithium gearbeitet. Die Siliziumfäden seien dafür ein guter Ausgangspunkt. »Das Material ist so stabil, dass es auch mit einem auf Natrium basierenden Elektrolyt verbaut werden kann.« Dieses Metall - einer der beiden Bestandteile des Kochsalzes - sei wesentlich preiswerter als Lithium. »Und wahrscheinlich könnten wir es auch in einem Solid-State-Akku verwenden.«

Mit einer solchen Batterie, in der es keine flüssigen Bestandteile mehr gibt, hätten die Kieler Materialwissenschaftler die wesentlichen Schritte auf dem Weg in die Zukunft der mobilen Stromspeicherung und -versorgung vollzogen. Allerdings wird die Entwicklung sicherlich noch zehn Jahre oder mehr dauern und die Konkurrenz schläft nicht. An einer Solid-State-Batterie auf der Basis von Natrium arbeiten zum Beispiel auch Forscher an der ETH Zürich. Denn die Technologie verspricht nicht nur sicherer und einfacher, sondern auch wesentlich zuverlässiger zu funktionieren als die derzeit verwendeten Energiespeicher.

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