Böse Blicke und laute Rufe

Modellprojekt in Bayern soll Zwist zwischen Wanderern und Mountainbikern beenden

  • Ulf Vogler, Bad Hindelang
  • Lesedauer: 3 Min.

So manchem Bergwanderer ist in dieser Situation bereits der Schreck in die Glieder gefahren: Auf einem steilen Schotterweg unterhalb des Gipfels schießt plötzlich ein Radfahrer vorbei. Böse Blicke und laute Rufe sind nicht selten die Folge. Solche Zwischenfälle können in den Sommermonaten praktisch in allen Bergregionen beobachtet werden - und das hat Folgen: Etliche Fußgänger und auch Bergbauern sehen das Verhalten von Mountainbikern in den Alpen als wenig rücksichtsvoll an, umgekehrt empfinden die Biker sich häufig zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Hintergrund des Ärgers ist, dass seit den 1980er Jahren die Zahl der Radfahrer in den Bergen stark ansteigt und durch neue Technologien der Trend unvermindert anhält. Inzwischen ermöglichen E-Bikes auch nicht so gut trainierten Radlern, Steigungen ohne große Mühe zu nehmen. Nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbandes war 2017 jedes fünfte in Deutschland verkaufte Elektrorad ein Mountainbike (MTB) und der Absatz wächst weiter stark.

Um den seit Jahren schwelenden Konflikt zu entschärfen, hat der Deutsche Alpenverein (DAV) ein dreijähriges Projekt gestartet. In zwei Regionen, rund um Bad Tölz in Oberbayern und um Oberstdorf im Allgäu, soll dabei herausgefunden werden, mit welchen Maßnahmen Spannungen zwischen Mountainbikern, Grundbesitzern und Wanderern vermieden werden können. Es sollen Wegekonzepte, Beschilderungen und Handlungsleitfäden erarbeitet werden, hieß es beim offiziellen Start des Modellvorhabens am Mittwoch in Bad Hindelang. Der DAV hat dafür zwei Projektmitarbeiter eingestellt. Kinder und Jugendliche sollten zudem durch Umweltbildung für das Problem sensibilisiert werden. Das Projekt »Bergsport MTB - nachhaltig in die Zukunft« kostet 358 000 Euro, der größte Teil davon - eine Viertelmillion - kommt von der bayerischen Staatsregierung.

Den DAV mit seinen über 1,2 Millionen Mitgliedern trifft das Problem selbst im Kern. Denn längst repräsentiert der Alpenverein nicht mehr nur Wanderer und Kletterer, auch viele Mountainbiker sind dabei. »Knapp die Hälfte der Mitglieder gibt an, öfter mal mit dem Rad in den Bergen unterwegs zu sein«, zitiert DAV-Sprecher Thomas Bucher das Ergebnis von Umfragen. Bislang ist ein Ende der Konflikte zwischen den verschiedenen Interessengruppen nicht in Sicht. »Es ist eher schlimmer geworden, weil noch die E-Bikes dazugekommen sind«, sagt Bucher.

In Tirol gibt es bereits seit 20 Jahren spezielle MTB-Programme. Die Österreicher haben früh erkannt, dass die Bergradler auch eine nennenswerte Einnahmequelle für den Tourismus sind. Im Unterschied zu Deutschland ist in Österreich das Radfahren im Wald grundsätzlich verboten. In Tirol werden deswegen Verträge mit Grundbesitzern geschlossen, damit diese ihre Wege für Zweiräder freigeben.

In Deutschland kümmert sich die Deutsche Initiative Mountain Bike (DIMB) um ein gutes Miteinander der Bergurlauber. Sie hat Verhaltensgrundsätze für Radler formuliert. Die MTB-Sportler werden darin nicht nur zur Rücksicht auf Weidetiere und Fußgänger aufgefordert. Auch sei das Bremsen mit blockierenden Reifen außer in Notsituationen tabu, um den Boden nicht zu schädigen. Die DIMB will verhindern, dass es durch »Fehltritte von ein paar wenigen BikerInnen« zu Fahrverboten kommt.

Manche Fahrradhasser greifen zur Selbstjustiz. Besonders vergrabene Nagelfallen werden gefunden. Im niedersächsischen Bad Iburg gab es vor zwei Jahren sogar einen Verletzten. Ein Wanderer trat in eine mit Schrauben und Nägeln präparierte Baumwurzel. Es sei zu vermuten, dass der Täter nicht Spaziergänger, sondern Mountainbiker mit seiner Tat treffen wollte, betonte die Polizei. dpa/nd

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