Graffito erhitzt Gemüter

Wandbild des getöteten Nidal R. soll entfernt werden

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 2 Min.

Noch prangt das Gesicht von Nidal R. an der Rückwand eines Kiosks am Rande des Tempelhofer Felds in Neukölln. Die Stirn ist nur halb ausgemalt, es sieht aus, als sei derjenige, der es gemalt hat, unterbrochen worden. Ein paar Meter davor haben Freunde und Familienangehörige eine kleine Gedenkstätte eingerichtet. Am Mittwochmorgen liegen hier Blumensträuße, Kerzen sind aufgestellt, zwei Frauen haben einen Abschiedsbrief geschrieben. An einer Absperrung darüber hängen weitere Zettel: »Ruhe in Frieden«, »Wir werden dich nie vergessen«, aber auch eine Botschaft, an diejenigen, die die Gedenkstelle besuchen, vielleicht auch an Pressevertreter und Politiker: »Eltern verloren ihren geliebten Sohn! Eine Frau verlor ihren geliebten Mann! ... Hier geht es um Menschen, die einen geliebten MENSCH verloren haben.«

Nidal R. war am 9. September bei einem Ausflug mit seiner Familie auf dem Tempelhofer Feld erschossen worden. Dahinter wird Bandenrivalität vermutet: R. war Mitglied einer kriminellen Großfamilie. Zur Beerdigung vier Tage nach dem Mord kamen zwischen 1500 und 2000 Menschen.

Wie lange das Wandbild noch zu sehen sein wird, ist ungewiss. Unter anderem Politiker forderten in den vergangenen Tagen mehrfach dessen Entfernung, auch, weil es direkt gegenüber von einem Jugendclub prangt. Ein Sprecher des Neuköllner Bezirksbürgermeisters Martin Hikel sagte dem »nd« am Mittwoch: »Das Bezirksamt respektiert das Bedürfnis nach dem Gedenken an einen Verstorbenen, wird aber keinen Wallfahrtsort für eine vielfach verurteilte Person im öffentlichen Raum zulassen.«

Das Bezirksamt wolle vermeiden, »dass erfolgreiche Streetwork- und Jugendarbeit, wie sie auch im Umfeld des Tempelhofer Feldes besteht, durch die Diskussion zu Clankriminalität in Mitleidenschaft gezogen wird«.

Selbst die Entfernung veranlassen kann das Bezirksamt gar nicht: Der Kiosk steht auf dem Gelände des Tempelhofer Felds, Eigentümerin der Fläche ist das landeseigene Unternehmen »Grün Berlin«. Das Unternehmen erklärt auf Anfrage, das Gebäude gehöre »dem Land Berlin«, und das wolle, dass das Bild entfernt wird. »Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt noch, wie und wann das geschehen wird«, sagte ein Sprecher. »Grün Berlin« habe bisher keine Strafanzeige gestellt.

Die Fläche war in der Vergangenheit mehrfach für Graffitikunst freigegeben worden. Auch ohne Erlaubnis toben sich hier immer wieder Graffitikünstler aus.

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