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»Die Einlasskontrollen haben versagt«

Lucius Teildelbaum über rechte Netzwerke, AfD-Sympathie und Prepper in der Bundeswehr

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 8 Min.

Der Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) Christof Gramm hat kürzlich erklärt, dass es »keine gewaltbereiten Rechtsextremisten« und daher auch keine Vernetzung von diesen innerhalb der Bundeswehr gebe. Ist diese Aussage glaubwürdig?

Zumindest nicht laut den Recherchen von »taz« und »Focus«. Diese wirken auf den ersten Blick ganz profunde. Offenbar hatten die Redakteure Zugang zu Ermittlungsakten. Der Bundeswehrgeheimdienst MAD als Frühwarnsystem der Bundeswehr scheint aber ohnehin kaum zu funktionieren.

Im Interview

Lucius Teidelbaum ist Publizist und freier Journalist. Er schreibt über die Extreme Rechte und verbundene Grauzonen. Veröffentlichungen von ihm finden sich unter anderem im antifaschistische Magazin »der rechte rand«. Von Teidelbaum erschien 2012 im Unrast-Verlag das Buch »Braunzone Bundeswehr. ›Rechtsum‹ in der Männertruppe«. Mit dem Autor sprach für »nd« Sebastian Bähr.

Sie spielen auf die Recherchen über eine rechte Schattenarmee an, der auch Teile der Bundeswehr angehören sollen. Warum versagt hier der MAD?

Der MAD hatte schon in den 1990er Jahren nicht verhindert, dass Tausende Neonazis den Umgang mit der Waffe gelernt haben. Ältere Einträge in Neonazi-Onlineforen beweisen das zuhauf. Nehmen wir den extrem rechten Serienkiller Uwe Mundlos. Mundlos wurde während seines Wehrdienstes zwischen 1994 und 1995 in der thüringischen Kyffhäuserkaserne vom MAD über seine Gesinnung befragt und räumte ein, Neonazi zu sein. Man versuchte, ihn auch als Quelle anzuwerben. Mundlos lehnte laut den Akten ab und konnte dann problemlos seine Dienstzeit beenden.

Wie ist heute die Arbeit des MAD zu bewerten? Derzeit wird ja auch gegen einen Oberstleutnant wegen Geheimnisverrats ermittelt.

Auch heute scheint der MAD immer wieder zu versagen. Der Terrorverdächtige Franco A. konnte 2013 trotz seiner Masterarbeit, der eindeutig extrem rechtes Verschwörungsdenken zu Grunde lag, in der Bundeswehr verbleiben. Mit der Neuen Rechten oder Mitgliedern der AfD findet die Behörde überhaupt keinen kritischen Umgang. Das mag daran liegen, dass auch der MAD durch die staatlich geförderte »Extremismustheorie« wenig Probleme mit extrem rechtem Denken und Handeln hat, das nicht neonazistisch auftritt. Der ehemalige Kölner AfD-Funktionär Hendrik Rottmann arbeitet beispielsweise für den Geheimdienst. Wenn ein MAD-Mitarbeiter wie Rottmann Ende Januar 2017 »Deutschland erwache« twittert, dann fragt man sich schon, ob der Bock hier zum Gärtner gemacht wird.

Stichwort AfD. Über wie viel Unterstützung verfügt die Rechtsaußenpartei in der Bundeswehr?

Traditionell ist die Union die Bundeswehrpartei. Derzeit versucht sich die AfD als neue Interessenvertreterin zu inszenieren. Dabei präsentiert sie immer wieder hochrangige Offiziere in ihren Reihen. Immerhin hatten von männlichen AfD-Abgeordneten in Bund und Ländern laut einem »Spiegel«-Bericht mehr als 13 Prozent einen militärischen Hintergrund. Passend dazu hat die AfD im Mai 2017 einen »Arbeitskreis Bundeswehr und Wehrpolitik« gegründet, mit dem sie ihr militärisches Profil weiter schärfen will.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte führt Maximilian T., einen Offizier der Bundeswehr, als Mitarbeiter. Dieser T. wurde verdächtigt, an einer möglichen Anschlagsplanung zusammen mit Franco A. beteiligt gewesen zu sein. Noltes Anwälte bestritten die Vorwürfe, mittlerweile sind die Ermittlungen mutmaßlich eingestellt. Was hat das für Auswirkungen für eine Aufarbeitung rechter Umtriebe in der Bundeswehr?

Die AfD verharmlost den Fall massiv. Da sie aber nur eine Minderheit im Verteidigungsausschuss darstellt und in der Opposition ist, heißt das nicht notwendigerweise, dass sich daraus ein unkritischer Umgang mit rechten Umtrieben ergibt.

Im Verteidigungsausschuss war jüngst vor allem die Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) in der Diskussion. Ist die Einheit besonders anfällig für extrem rechtes Denken?

In den Kampftruppen gibt es generell stärkere Tendenzen, sich in die Tradition der Kampftruppen vor 1945 zu stellen. Auch beim KSK gibt es Hinweise auf einen Traditionsbezug, der auch die Waffen-SS und die Wehrmachtssondereinheit der Brandenburger umfasst. Darüber berichtete 2006 recht offen der ehemalige KSK-General Reinhard Günzel im Bildband »Geheime Krieger«. Mitautor an dem Band war ein Wehrmachtsoffizier der Brandenburger. Günzel selbst stolperte im November 2003 über seine Solidarität mit dem Reserveoffizier und damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann, der 2003 wegen einer als antisemitisch kritisierten Rede im Fokus stand. Heute sitzt Hohmann für die AfD im Bundestag. Hohmann ist Major der Reserve und hat seine Reservistenübungen auch bei Günzel abgelegt. Fälle wie die 2017 stattgefundene Abschiedsfeier eines KSK-Kompaniechefs, auf der nach den Aussagen einer Zeugin Rechtsrock der Gruppe »Sturmwehr« gehört und Hitlergrüße gezeigt worden sein sollen, überraschen da nicht.

Laut Medienrecherchen sind es vor allem sogenannte Prepper in der Bundeswehr, die sich auf einen »Tag X« vorbereiten. Was hat es damit auf sich?

Offenbar war das von den Medienberichten gezeichnete Netzwerk ein Zusammenschluss von sogenannten Preppern, also Menschen, die sich auf den Staatszusammenbruch vorbereiten. Um ein Missverständnis zu vermeiden, sei gleich gesagt: Nicht alle der Prepper - in Deutschland dürfte die Zahl je nach Definition bis zu mehreren hunderttausend Personen umfassen - sind rechts bis extrem rechts. Aber die Annahme eines Zusammenbruchs des Staates ist auch verstärkt in rechten Kreisen anzutreffen.

Wie wird dort der staatliche Zusammenbruch diskutiert?

Bei den Rechten wird von einer Art ethnischem Bürgerkrieg ausgegangen. Früher hieß das bei den Neonazis »Heiliger Rassenkrieg«, Holy Race War, die Neue Rechte schreibt vom »Vorbürgerkrieg«, in dem wir uns bereits befänden. In Erwartung des kommenden Bürgerkriegs legt man Vorräte an, bewaffnet sich und legt manchmal auch Listen angeblicher Feinde an. Solche wurden ja anscheinend auch bei der Prepper-Gruppe Nordkreuz gefunden, der mehrere Reservisten angehörten. Die Annahme eines solchen Untergangszenarios ist in der extremen Rechten zweifellos weit verbreitet.

Wer hat Schuld am »Tag X«?

In der Ideologie der extremen Rechten ist dieser »Tag X« von anderen verschuldet, man selbst wehrt sich nur. Manche glauben anscheinend, auch den Auslöser für den Bürgerkrieg liefern zu müssen. Seien es die NSU-Bekenntnis-DVDs oder die offenbar geplante False-Flag-Aktion von Franco A., der sich ja als syrischer Flüchtling hat registrieren lassen.

Inwiefern ist extrem rechtes Denken an den Bundeswehruniversitäten ein Thema? Sollen hier nicht die Führungskräfte einer Bürgerarmee ausgebildet werden, um solche Entwicklungen zu verhindern?

Es gibt auch unter den Studierenden der beiden Bundeswehruniversitäten in Hamburg und in München problematische Tendenzen. Eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr aus dem Jahr 2010 zeigte bei 13 Prozent der deutschen Offiziersanwärter Sympathien für die Neue Rechte. 2011 übernahmen Jungoffiziere aus diesem Umfeld für zwei Ausgaben das Studierendenmagazin »campus« der Bundeswehr-Universität in München. Der Inhalt der beiden Ausgaben ist dann auch entsprechend von Nationalismus und Pathos geprägt gewesen. Garniert wurde das dann noch mit einer Anzeige der neurechten Denkfabrik »Institut für Staatspolitik«. Obwohl das Problem thematisiert wurde, gab es keinerlei Konsequenzen über eine Missfallensbekundung des Rektorats hinaus.

Wie verhält es sich mit militärnahen Gruppen außerhalb der Bundeswehr?

Die meisten Traditionsverbände von Wehrmacht und Waffen-SS befinden sich in Auflösung, da ihre Mitglieder »zur großen Armee abberufen« wurden, wie es in ihren Blättern oft heißt. Nur wenige Verbände haben Nachwuchsarbeit geleistet. Mit dem »Kameradenkreis der Gebirgsjäger« existiert jedoch weiterhin auch ein generationsübergreifender Verband. Hier treffen sich immer noch die verschiedenen Generationen aus Bundeswehr, Wehrmacht und Waffen-SS. Daneben existieren im Umfeld der Bundeswehr sehr konservative Organisationen mit rechten Einsprengseln, wie die Clausewitz-Gesellschaft. Wenn etwa der »Regionalkreis Nord« der Clausewitz-Gesellschaft im September in Hamburg zu einem Vortrag mit dem Titel »Griff des Islams nach Europa« lädt, lässt sich schon mal kritisch nachfragen, welche Inhalte da vermittelt werden.

Wie steht generell die extreme Rechte zur Bundeswehr?

Die Bundeswehr ist ein Fürsorgeobjekt der gesamten extremen Rechten. Mit deren derzeitigem Zustand ist man aber sehr unzufrieden. Die Aufhebung der Wehrpflicht und gewisse Formen der Modernisierung, wie die Aufnahme von Frauen, werden mehrheitlich abgelehnt. Die konkrete Bezugnahme sieht dann je nach Akteur anders aus. Jürgen Elsässer, Herausgeber des extrem rechten Monatsmagazin Compact, veröffentlichte beispielsweise im September 2015 einen Putschaufruf, der sich an die Bundeswehr richtete.

Rechte Burschenschaften wiederum zeigen eine starke Wertschätzung. Viele ihrer Semesterprogramme beinhalten auch Vorträge mit Bundeswehroffizieren. Das ist kein Zufall, sie haben ja auch die gleichen Wurzeln und Prinzipien. Das auf dem Burschentag des extrem rechten Dachverbands »Deutsche Burschenschaft« in Eisenach im Mai diesen Jahres auch ein ehemaliger Generalmajor über die Bundeswehr sprach, passt ins Bild.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte erklärt, gegen rechte Umtriebe in der Bundeswehr vorgehen zu wollen. Eine Maßnahme war die Überarbeitung des sogenannten Traditionserlasses, der die Richtlinien zum Traditionsverständnis regelt. Ist sie damit gescheitert?

Der neue Traditionserlass ist eine gewisse Verbesserung gegenüber dem alten. Es werden aber Schlupflöcher gelassen, etwa, wenn einzelne Wehrmachtssoldaten als Traditionsträger fungieren können. Auch kann sich auf die deutschen Armeen vor 1933 positiv bezogen werden. Das lässt eine Rückkehr des Preußentums in die Armee befürchten.

Gibt es Soldatenvereinigungen innerhalb oder außerhalb der Bundeswehr, die sich explizit gegen rechte Umtriebe einsetzen?

Verbal distanzieren sich vermutlich die meisten. Die Frage nach praktischen Konsequenzen stellt sich aber. Wenn etwa der Reservistenverband der Bundeswehr von 2010 bis 2017 lediglich 32 ehemalige Soldaten wegen Rechtsextremismus ausgeschlossen hat, dann gibt es entweder sehr wenige Probleme mit Rechtsextremismus oder wenige Konsequenzen. Ich vermute letzteres. Wenn dann noch der bayerische »Identitären«-Aktivist Sebastian Z. im Sommer 2017 an einer Schulung der Landesgruppe Niedersachsen des Reservistenverbandes der Bundeswehr als Referent zum Thema »Deutsche Identität« auftreten kann, ist das auch eine Aussage.

Kann man zusammenfassend sagen, dass die derzeitigen Bedingungen bei Bundeswehr und MAD die Entstehung von extrem rechten militanten Netzwerken begünstigen?

In der Vergangenheit hat man jedenfalls bei der Einlasskontrolle in Bezug auf Neonazis immer wieder versagt. Die neurechten und deutschnationalen Bundeswehrangehörigen werden ohnehin kaum sanktioniert. Es stellt sich aber ohnehin die Frage, ob da nur geheimdienstliche Mittel helfen. Ein wichtiges Stichwort wäre Demokratieerziehung. Aber auch die hat ihre Grenzen. Letztendlich wird eine Armee als hierarchische Organisation immer ein demokratieferner Ort bleiben.

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