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Eine absurde Konstruktion

Zeitungsverbot durch die Hintertür - die baskische «Gara» soll drei Milllionen Euro an den spanischen Staat zahlen

  • Raul Zelik
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist wie ein Bankraub. Man hat uns zu ›ideologischen Nachfolgern‹ eines anderen Unternehmens erklärt und zur Zahlung von drei Millionen Euro verpflichtet.« Als Inaki Soto, Chefredakteur der baskischen Tageszeitung »Gara«, vor Kurzem vor die Presse trat, um die Lage seines Blattes zu erklären, wirkte er fassungslos. Die linke »Gara« muss in den nächsten drei Jahren eine halbe Million Euro pro Halbjahr an das spanische Sozialversicherungssystem überweisen, um damit die Schulden eines Unternehmens zu begleichen, mit dem sie nichts zu tun hat. Ob die »Gara«, die mit etwa 85 000 Leser*innen (aber deutlich weniger verkauften Exem-plaren) zu den vier großen Tageszeitungen des Baskenlands gehört, diesen Aderlass überleben wird, steht in den Sternen.

Einen vergleichbaren Fall hat es in der EU vermutlich noch nicht gegeben: Die Geschichte beginnt 1998, als der spanische Ermittlungsrichter Baltasar Garzón die Tageszeitung »Egin« verbieten und deren Druckerei verplomben ließ. Richter Garzón, der sich mit der Verfolgung lateinamerikanischer Militärs international einen Namen als Menschenrechtsverteidiger gemacht hatte, war in Spanien eher damit beschäftigt, den Polizeistaat auszubauen, und ging dabei weiter, als es rechte Richter vor ihm gewagt hatten. Um die - in Teilen der Bevölkerung durchaus noch populäre - Untergrundorganisation ETA zu isolieren, verbot Garzón um die Jahrtausendwende unzählige Organisationen und Projekte im Baskenland. Der Höhepunkt der Kampagne, die 1998 mit der Schließung der »Egin« begann, war das Verbot der Linkspartei Batasuna 2002.

Im Nachhinein stellte das oberste spanische Gericht, der Tribunal Supremo de Justicia, zwar fest, dass die Schließung der »Egin« durch Richter Garzón illegal gewesen war, doch da waren die Anlagen längst verrottet und die Investitionen verloren. Als Reaktion auf das Verbot gründeten 10 000 Einzelpersonen Anfang 1999 eine neue Medienkooperative, die seitdem die linksalternative »Gara« herausgibt. Um auch dieses Projekt auszuschalten, verkündete Garzón im Juli 2000 ein Urteil, wonach die Zeitung »aufgrund ideologischer Nähe« als Rechtsnachfolgerin der »Egin« zu behandeln sei. Demzufolge sollte sie mehrere Millionen Euro Schulden übernehmen, die die »Egin« nach der Schließung des Blattes nicht mehr an die Sozialversicherungen gezahlt hatte.

Für den »Gara«-Redakteur Mikel Jauregi ist das ganze Unterfangen nach wie vor schwer zu glauben. »Die ›Gara‹ hat als Unternehmen nie etwas mit der ›Egin‹ zu tun gehabt: Es wurde eine neue Genossenschaft gegründet, alle Redakteur*innen waren neu, die Zeitung wird an einem anderen Ort produziert. Wenn man sich das bei einem anderen Unternehmen vorstellt: Ein Stromkonzern soll die Schulden eines anderen übernehmen, weil die Unternehmen sich ideologisch nahestehen. Eine völlig absurde Konstruktion.«

Für die spanische Justiz gibt es an der Entscheidung jedoch nichts zu rütteln. Nach jahrelangen Verhandlungen musste die »Gara« jetzt einer Zahlungsvereinbarung zustimmen, die sie verpflichtet, drei Million Euro zu zahlen - in Zeiten der Zeitungskrise eine schier unvorstellbare Summe.

Doch im Baskenland, wo man mit staatlicher Repression vertraut ist, wird man sich wohl nicht so leicht geschlagen geben. »Die Stimmung ist sehr widersprüchlich«, so Jauregi. »Einerseits machen wir uns große Sorgen, dass die wichtigsten linken Medien im Baskenland verschwinden könnten. Von einem Konkurs wären neben ›Gara‹ nämlich indirekt auch das Radio Infozazpi und die französisch-baskische ›Mediabask‹ betroffen. Aber gleichzeitig gab es aus der ganzen Gesellschaft und von allen Parteien mit Ausnahme der PP Solidaritätsbekundungen.«

10 000 Abonennt*innen muss die »Gara« in den nächsten Monaten gewinnen, um den Konkurs abzuwenden. Dabei leben im Baskenland weniger Menschen als in Berlin, und die wirtschaftliche Lage in Spanien ist nach wie vor angespannt. Doch bei der Gründung der »Gara« vor 20 Jahren gelang es auch, innerhalb weniger Wochen 10 000 Genossenschafter*innen zu finden. Jauregi weiß, wie viel Arbeit man jetzt neben der Zeitungsproduktion zu bewältigen haben wird: »Wir haben eine Solidaritätskampagne gestartet und ziehen von Dorf zu Dorf.«

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