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»Wir sind zwar nicht mehr, aber wird sind auch da«

Das Projekt WannWennNichtJetzt will in Ostdeutschland eine Marktplatztour veranstalten.

  • Nina Böckmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Etwa 500 Neonazis ziehen am 1. Mai uniformiert durch Plauen. Sie inszenieren sich dabei brachial - mit Pyrotechnik und Trommeln im Hitlerjugend-Stil. Der Aufschrei ist groß, fast alle größeren Medien berichten, Prominente wie Jan Böhmermann ergreifen das Wort. Von Kenner*innen der ostdeutschen Neonaziszene gab es dafür Kritik: Es war längst nicht das erste Mal, dass Neonazis so auftreten. Auch in Plauen selbst ist man wenig überrascht über das, was dort am 1. Mai in der Stadt umherzog. Die Neonazi-Partei »Der III. Weg« bietet neben Kampfsport auch eine Hausaufgabenbetreuung für Kinder an und erhält dabei nicht wenig Zuspruch von den Bewohner*innen der Stadt.

Trotzdem, so sieht es Lena Kittler, gibt es auch in Plauen einiges an Unverständnis für solche rechten Auswüchse. Am 1. Mai habe sie viele Passant*innen registriert, die nichts als Kopfschütteln für die Neonazis und ihre Machtdemonstration übrighatten. Dass Kopfschütteln aber alleine nicht reicht, sei weniger Menschen klar. Kittler ist eine von denen, die das rechte Treiben nicht kalt lässt. Gemeinsam mit Freund*innen trifft sie sich regelmäßig und spricht über Möglichkeiten, wie man etwas in Plauen verändern könnte. »Zwar sind die Geschehnisse vom 1. Mai auch in den letzten Tagen noch vereinzelt an Schulen und in Teilen der Stadtgesellschaft Thema, die allermeisten Plauener*innen scheren sich dennoch kaum um das, was hinter dem nächsten Gartenzaun geschieht. Solange es sie nicht selbst betrifft, versteht sich«, meint Kittler.

Mit Musik gegen Verbitterung

Durch ein neues Projekt will man nun den Menschen die Skepsis gegenüber Unbekanntem nehmen und sie dazu ermutigen, sich zu engagieren. »In Plauen stellen wir immer wieder fest, dass die Zivilgesellschaft leider nicht besonders handlungsfähig ist. Das wollen wir ändern. Wir sind dankbar für Unterstützung aus anderen Städten, langfristig wollen wir aber, dass die Aktiven in Plauen mehr werden und sich gut vernetzen«, so Kittler weiter.

Das Projekt, dem sich Kittler nun angeschlossen hat, heißt WannWennNichtJetzt. Hinter dem etwas sperrigen Namen steckt eine Marktplatz- und Konzerttour, die im Sommer in den drei ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg Halt machen wird. In allen drei Bundesländern stehen in diesem Jahr Landtagswahlen an. WannWennNichtJetzt wird von Menschen getragen, die wie Kittler selbst in den jeweiligen Regionen leben und aktiv werden wollen - oder es schon länger sind.

Das Konzept der Tour: In mehreren Orten - darunter Plauen und Bautzen in Sachsen, Saalfeld in Thüringen und Cottbus in Brandenburg - soll es jeweils Programm für ein Wochenende geben. Ausgelegt sein sollen die Veranstaltungen für Jung und Alt, denn man lege auch Wert auf intergenerationellen Austausch, heißt es im Selbstverständnis. Konkret habe man sowohl ein Bildungsprogramm mit Workshops, Lesungen und Diskussionsveranstaltungen als auch Konzerte mit namenhaften Bands geplant. Auch Künstler*innen, die in den Städten zu Hause sind, werden dabei sei.

Hoffnung für die Landtagswahl

Anders als in Plauen gibt es in Cottbus bereits eine große Vielfalt kultureller Projekte. »Ihre Arbeit bleibt jedoch leider oft unsichtbar«, sagt Sarah Fartuun Heinze. Die Cottbusserin ist selbst in verschiedenen Initiativen aktiv und hat sich ebenfalls dem Projekt angeschlossen. »Wir sind zwar nicht mehr, aber wird sind auch da«, so Heinze. Durch die Tour solle dies im Sommer sichtbar werden - und anderen Cottbusser*innen vor der anstehenden Landtagswahl Hoffnung machen. Auf einen ähnlichen Effekt hofft auch Bruno Rössel. Er ist in Bautzen aktiv, wo WannWennNichtJetzt im Sommer ebenfalls Halt machen wird. Er ist sich sicher: »Aktive und junge Menschen wird die Tour abholen und positiv bestärken können.« Allerdings befürchtet er auch rechte Stimmungsmache gegen das Projekt. »In der Vergangenheit kam es aus dem in Bautzen starken rechtspopulistischen Milieu bereits einige Male zu inhaltlichen Angriffen auf alternative Veranstaltungen. Besonders die AfD mischt dabei fleißig mit«, so Rössel.

Finanzielle Unterstützung erhält das Projekt bei seinem Vorhaben unter anderem von der Amadeu-Antonio-Stiftung und Firmen wie Ben & Jerry’s oder Lemonaid. Vor allem aber versucht es sich über eine in dieser Woche gestartete Crowdfounding-Kampagne zu finanzieren: 60 000 Euro sind das Ziel.

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