Im Schneckentempo zur Verkehrswende

Mit der Umsetzung des Mobilitätsgesetzes geht es an manchen Ecken nur langsam voran

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Fast bis auf den letzten Platz ist der große Saal im Rathaus Charlottenburg am Dienstagabend besetzt. Die Stimmung bei der sechsten »Informations- und Dialogveranstaltung«, zu der die Senatsverkehrsverwaltung eingeladen hatte, ist ausgelassen. Auch als Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese (Grüne) ans Mikrofon tritt und erklärt, dass es bei der geplanten Radschnellverbindung »West-Route« (RSV 5) nicht darum gehe zu rasen, sondern »ohne Unterbrechung schnell von A nach B zu kommen«, ist die Zustimmung im Saal groß.

A und B, das sind in diesem Fall die Landesgrenze zwischen dem brandenburgischen Dallgow und Spandau sowie der S-Bahnhof Tiergarten. Die 15 Kilometer lange Strecke soll in Zukunft auch mit dem Rad schnell befahrbar sein. Von einem schnellen Bau der Verbindung kann derzeit allerdings nicht die Rede sein. So plant das mit dem Bau der Radschnellwege beauftragte landeseigene Unternehmen Infravelo 2019 nur 73 000 Euro für den Bau von Radwegen auszugeben. Für Machbarkeitsstudien sollen dahingegen 6,5 Millionen Euro zur Verfügung stehen, wie aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Abgeordneten Sven Kohlmeier hervorgeht. Zuerst hatte der rbb darüber berichtet.

Laut Mobilitätsgesetz sollen in den nächsten Jahren mindestens 100 Kilometer Radschnellverbindungen auf insgesamt elf Routen gebaut werden. Mit vier Metern sind sie breiter als herkömmliche Radwege, gut beleuchtet, asphaltiert und vom Fußverkehr getrennt. An Kreuzungen erhalten Radfahrende meist Vorrang gegenüber dem PKW-Verkehr, so dass nur selten angehalten werden muss. Die ersten Radschnellverbindungen sollen laut Streese bereits 2023 fertig sein.

Wird in dem gleichen Tempo wie bisher weitergebaut, könnte das allerdings knapp werden. Kohlmeier kritisierte deshalb, dass nach einem Jahr Mobilitätsgesetz kaum etwas passiert sei. Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) müsse nun kräftig nachlegen, so Kohlmeier weiter. Machbarkeitsstudien seien verkehrspolitisch wichtige Vorhaben, erklärte der Politiker. »Aber neue Radwege zur Erhöhung der Fahrradsicherheit wären dringlicher gewesen.« Er hoffe, dass der Fokus der Verkehrsverwaltung sich nicht nur in Studien erschöpft, sondern tatsächlich auch Radwege und Radverkehrsanlagen gebaut werden. »Es gibt noch viel zu tun, damit die Verkehrswende in Berlin endlich Realität wird.«

Wie schleppend es mit der Umsetzung der Verkehrswende tatsächlich vorangeht, zeigt sich derzeit auch in Lichtenberg. Dort sollte auf der Siegfriedstraße eigentlich ein mit Pollern geschützter Radweg entstehen. Weil dann auch Parkplätze wegfallen würden, stieß der Plan des Senats auf Kritik. Am Dienstag erteilte der zuständige Stadtrat Wilfried Nünthel (CDU) dem gesicherten Radweg in einer Beschlussvorlage nun eine Absage. Beiderseits der Siegfriedstraße sollen stattdessen herkömmliche Radwege eingerichtet werden - ohne Poller. Für die wegfallenden Parkplätze sollen Gehwegbereiche in Parktaschen verwandelt werden.

Verschiedene Verbände zeigten sich daraufhin entsetzt: »Hauptsache, Parkplätze bleiben erhalten«, heißt es etwa seitens der Initiative »Changing Cities«. Tatsächlich sollen laut der Beschlussvorlage 40 Prozent des Fußweges in Parkfläche umgewandelt werden. »Wenn sich der Bezirk nicht bald besinnt und ein rechtskonformes Verhalten an den Tag legt, dann sehen wir die Verkehrssenatorin in der Pflicht, die Maßnahme an sich zu ziehen«, erklärt Malte Preuß vom Netzwerk fahrradfreundliches Lichtenberg. »Das widerspricht eindeutig dem Mobilitätsgesetz«, findet auch Philipp Ahrens (Grüne). Er fordert Bezirksbürgermeister Michael Grunst (LINKE) deshalb auf, deutlich mehr Einsatz für die Verkehrswende zu zeigen und für die korrekte Umsetzung des Mobilitätsgesetzes durch das Lichtenberger Bezirksamt zu sorgen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal