In die Gänge kommen

Wie Vorsätze gelingen: Die Sportart muss passen - und auch Freude bereiten

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 5 Min.

Auch nur ein wenig mehr Bewegung oder ein knappes Sportpensum bringt gute Effekte für Gesundheit und Wohlbefinden. Das haben Forscher in den letzten Jahren immer wieder festgestellt. So sinkt das Dickdarm- und Brustkrebsrisiko um 20 bis 30 Prozent bei täglicher Bewegung von mindestens 30 Minuten, wie die Deutsche Krebshilfe erinnert.

Eine andere Rechnung besagt, dass bereits 60 Sekunden Intervalltraining mit starker körperlicher Anstrengung genauso gut für die Fitness sind wie 45 Minuten leichtes Training. Das fanden Forscher der McMaster University in Hamilton im US-Bundesstaat Ontario heraus. Diese 60 Sekunden können auf dem Fahrradergometer absolviert werden, oder auch damit, eine Treppe hinauf- und wieder runterzurennen.

Aller Anfang ist nicht so schwer

Laut dem Statistikportal Statista vom Dezember ist auch für 2020 einer der beliebtesten Vorsätze der Deutschen, mehr Sport zu treiben. 52 Prozent hatten das in einer Umfrage angegeben. Dabei helfen können folgende Tipps:

Trainingspartner suchen.

Auch kleine Erfolge würdigen.

Nicht zu viel vornehmen: Das Einstiegspensum sollte weder Schmerzen, Atemnöte noch unangenehmes Schwitzen verursachen.

Konkrete und realistische Ziele festlegen.

Sich selbst belohnen, etwa mit neuer Sportkleidung.

Zu festen Zeiten trainieren.

Familie und Freunden von dem Vorhaben erzählen.

Ausweichpläne wie etwa Schlechtwettervarianten zurechtlegen. uhe

Möglichkeiten gibt es also viele, den Neujahrsvorsatz für mehr Bewegung umzusetzen. Trotzdem kann der Einstieg schwerfallen oder auch die Entscheidung darüber, was, wann, wo, wie oft und mit wem trainiert werden soll. Oder ob es »nur« darum geht, Treppen immer zu steigen und weder Fahrstühle noch Rolltreppen zu nutzen. Bei der Entscheidung sollten nach der Erfahrung des Arztes und Sportpsychologen Jens Kleinert von der Sporthochschule Köln zwei Themen besonders bedacht werden: »Was macht mir Freude? Außerdem: was passt zu mir?« Denn während die einen das Laufen lieben, können andere sich partout nicht damit anfreunden.

»Jeder muss das finden, was er genießen kann, nicht nur die Sportart selbst«, ergänzt Kleinert, der an der Hochschule die Abteilung Gesundheit und Sozialpsychologie leitet. »Wichtig sind die Menschen, mit denen man etwas gern macht, zum Beispiel Partner, die eigenen Kinder, Freunde oder Kollegen. Für manchen ist es gar nicht vordergründig wichtig, Sport zu treiben oder spazieren zu gehen. Doch jemand, den man sehr mag, der macht das. Und deshalb geht man mit.« Und merkt möglicherweise, dass nicht nur die jeweilige Gesellschaft einen Wohlfühleffekt hat.

Den sozialen Aspekt findet auch Wiebke Schüssler wichtig. Sie ist Pilates-Trainerin in Berlin-Kreuzberg. In das von ihr mitgegründete Studio kommen nicht wenige Teilnehmerinnen über einen Präventionskurs, für den viele gesetzliche Krankenkassen Zuschüsse zahlen. »Wer dabeibleibt, findet sich in einer Gruppe ein.« Schüssler hält feste Kurse für verbindlicher. Man treffe die gleichen Leute, mit denen man sich wohlfühlt und gern Sport macht. Das motiviere mehr, als sich allein abzustrampeln.

Gute Sportfreunde können bei der Verwirklichung von Vorsätzen unterstützen, fügt Kleinert hinzu. »Sie können die Motivation stärken und Hilfestellungen geben. In länger bestehenden Sportgruppen entwickeln sich gute soziale Beziehungen oder sogar Freundschaften.«

Mitgliedschaften in Fitnessstudios hingegen bieten oft maximale Freiheiten bei der Nutzung von Geräten oder Kursen. »Aber man muss sich auch immer wieder neu entscheiden und motivieren«, benennt Schüssler einen Nachteil solcher Angebote. Dadurch fühlen sich viele überfordert, kaufen zwar - gerade zu Jahresanfang - eine Mitgliedskarte, gehen aber manchmal nur ein- oder zweimal zum Training.

Vermutlich ist auch das eine Typ-frage. Wer schon recht motiviert, sporterfahren und diszipliniert ist, findet eher den Weg ins Fitnessstudio und schätzt die flexiblen Trainingszeiten, häufig rund um die Uhr. Das Thema auch bei dieser Entscheidung lautet »Stimmigkeit«. Was man sich vornimmt, muss passen, zum Beispiel zu den eigenen Vorlieben, ebenso von Zeitaufwand, Zielstellungen und der sportlichen Infrastruktur her. Auch Einschränkungen zum Beispiel durch chronische Krankheiten müssen mit dem Arzt besprochen werden.

Die Entscheidung für eine Aktivität kann zwar von außen angestoßen werden. Aber das Vorhaben muss auf jeden Fall internalisiert werden, meint Sportmediziner Kleinert. Ein guter Berater oder Trainer könne dabei unterstützen, das herauszufinden, was man wirklich will. Die individuelle Herausforderung bleibt, das Vorhaben umzusetzen und durchzuhalten.

Dabei darf der Glaube an die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten nicht fehlen. »Zu niedrigschwellig sollten Sportangebote auch nicht sein«, meint Kleinert, der über Trainerlizenzen für Schwimmen und Hallenhandball verfügt. »Viele Menschen suchen eine Herausforderung, sie wollen etwas lernen und weiterkommen.« Das geht bis dahin, die Teilnahme an einem Wettbewerb anzupeilen.

Eine der häufigsten Ausreden dafür, dass Menschen keinen Sport machen, ist Zeitmangel. Eigentlich geht es aber um eine andere Zeitnutzung, wie viele Amateursportler beweisen. Auf jeden Fall hilfreich ist es, Sport oder Treppensteigen in vorhandene Gewohnheitsmuster einzufügen. Hartgesottene Fitnessfans haben sich angewöhnt, morgens früher aufzustehen und in die Laufschuhe direkt hineinzufallen. Für andere kommt es darauf an, nach Feierabend nicht nur das Jackett säuberlich aufzuhängen, sondern auch gleich bequeme Schuhe anzuziehen und die Wohnung zu einem Spaziergang wieder zu verlassen. Weil es nach Sport oder etwas mehr Bewegung jedem besser geht, wird das Belohnungszentrum aktiviert - die nächste Wiederholung fällt schon leichter.

Andere Belohnungen kommen mit der Übung: Pilatestrainerin Schüssler erzählt, dass ihr Sport beweglicher mache, gleichzeitig entspanne. Bei Pilates wird der ganze Körper aktiviert, es werden vor allem Beckenboden-, Bauch- und Rückenmuskulatur gestärkt. »Ich kann den Kopf abschalten durch Konzentration auf Atmung und Bewegung.« Die Sportstunde wird zur Auszeit, man Abstand gewinnen. In der Folge fällt auch Bewegung im Alltag leichter - was älteren Teilnehmern viel hilft. Sie können sich zum Beispiel wieder im Stehen anziehen oder Schnürsenkel binden.

Zur Motivation beitragen kann auch der Wunsch, abzunehmen oder Muskeln aufzubauen. Die Ziele sollten nicht zu ehrgeizig sein, gerade für diejenigen, die ganz neu anfangen. Eine häufige Einsteigerempfehlung für ein Lauftraining lautet zum Beispiel: Erst einmal nur eine halbe Stunde, im Wechsel eine Minute gehen und laufen. Die Laufzeit langsam steigern, bis die 30 Minuten am Stück gelaufen werden können. Das darf schon ein paar Wochen dauern. Jede Übertreibung kann zu Gesundheitsschäden führen. Also langsam, aber stetig vorangehen, neue Gewohnheiten entwickeln und sich im Sommer wundern, warum man das eigentlich nicht schon früher versucht hat.

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