Kungeln mit der Industrie

Bundestagsfraktion der Grünen lud in Berlin zum Wirtschaftskongress

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 2 Min.

Als Daimlerchef Dieter Zetsche im November 2016 auf einem Parteitag der Grünen redete, protestierte die Parteijugend. Diese Zeiten scheinen endgültig vorbei zu sein. Am Freitagvormittag ist das Verhältnis zwischen Annalena Baerbock und Joe Kaeser auf der Bühne des Kinos Kosmos in Berlin-Friedrichshain so gut, dass die Vorsitzende der Grünen dem Vorstandschef der Siemens AG halb ironisch einen Mitgliedsantrag ihrer Partei anbietet. Kaeser nutzt die Offerte. »Nur mit Verboten wird man die ökologisch-soziale Transformation der Wirtschaft nicht schaffen«, sagt er.

Kaeser hat wie diverse andere Bosse aus der Industrie Sorgen, dass die Grünen ihnen mit Verweis auf den Klimaschutz Vorgaben machen werden, wenn die Ökopartei nach der nächsten Bundestagswahl an der Regierung beteiligt sein sollte. Diese Sorgen sind wohl unberechtigt. Baerbock spricht sich für Quoten für klimaneutrale Produkte aus. Da gibt es Verhandlungsspielraum.

Um ihr Verhältnis zu großen Unternehmen weiter zu verbessern, hat die Bundestagsfraktion der Grünen am Freitag einen ganztägigen Wirtschaftskongress organisiert, an dem neben Kaeser Vertreter der chemischen Industrie, von Nestlé oder der Industriegewerkschaft IG BCE teilnehmen. »Wir wollen breite Bündnisse schließen«, erklärt Fraktionschef Anton Hofreiter. Einerseits sei es notwendig, sich von fossilen Energien zu verabschieden, andererseits müsse auch die Wettbewerbsfähigkeit von energieintensiven Unternehmen gewährleistet sein. Hofreiter meint, dass der Staat den Unternehmen eher helfen würde, wenn er unter anderem in die Infrastruktur investiert, anstatt Steuern zu senken. Einige Parteikollegen, so etwa die in Baden-Württemberg mitregierenden Grünen, sehen das anders. Sie wollen die Unternehmenssteuern senken.

Nicht wenige Konzerne versuchen, sich ein grünes Image zu verschaffen. Beim Kongress dürfen die Aussteller sogar auf der Bühne für ihre Produkte werben. So hat die Firma Adidas einen vollständig recyclebaren Laufschuh entwickelt. Auch Joe Kaeser will den Eindruck erwecken, dass der Siemens-Konzern ergrünt. Blöd nur, wenn dann herauskommt, dass Siemens Signaltechnik für eine Zugverbindung liefern will, mit der Kohle von einer geplanten Mine in Australien zum Hafen transportiert werden soll. Siemens stand deswegen zu Beginn des Jahres heftig in der Kritik.

Während die Grünen beteuern, Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnen zu wollen, wächst unter Umweltschützern die Skepsis gegenüber der Partei. Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt, warnt die Grünen am Freitag in einer Mitteilung vor einem »Schulterschluss mit der Industrie«. »Das wäre angesichts von Klimakrise und dem Verlust von Arten und Lebensräumen ein Schritt in die völlig falsche Richtung.«

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