Die unsichtbare Mauer

Regierender Bürgermeister ruft zu Solidarität und Rücksicht auf

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es geht um Leben und Tod«, warnte der Regierende Bürgermeister Michael Müller am Donnerstag in seiner Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus. In der Coronakrise müssten die Menschen daher zusammenstehen, Solidarität zeigen und sich an die Ausgangsbeschränkungen halten - so wie es die meisten Berliner*innen auch tun würden. »Wir werden um jedes Leben kämpfen. Und dafür bringen wir gerade alle Opfer«, so der SPD-Politiker weiter. »Diesmal trennt keine Mauer quer durch die Stadt Familien und Freunde. Diesmal ist jeder von uns aufgerufen, eine unsichtbare Mauer um sich selbst zu ziehen.«

Müller zeigte Verständnis für die Existenzängste vieler Berliner*innen und versprach schnelle und unbürokratische Hilfe. »Wir werden alles unternehmen, um die Folgen der Coronakrise aufzufangen.« Dafür habe man ein Programm mit bis zu 600 Millionen Euro für in Not geratene Unternehmen aufgesetzt. »Wenn sich zeigt, dass mehr gebraucht wird, werden wir nachsteuern«, versprach Müller. Die Zuschüsse von 5000 Euro für Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen könnten ab diesem Freitag beantragt und ab nächster Woche ausgezahlt werden. Auch für Sportvereine soll es ein Hilfsprogramm geben.

Verdi bezeichnete das Rettungspaket am Donnerstag als »beruhigendes Signal«, mahnte aber darüber hinaus eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes an, da dieses »in der jetzigen Höhe nicht ausreicht und viele Beschäftigte in eine unverschuldete Notlage bringt«, so die Gewerkschafterin Andrea Kühnemann.

Der Regierende will auch den »Alltagshelden« in der Coronakrise mit einem finanziellen Bonus danken. Dafür habe er den Finanzsenator gebeten zu prüfen, wie die geplante Berlin-Zulage von monatlich 150 Euro genutzt werden könne, um den Pfleger*innen, Kassierer*innen oder Erzieher*innen zu helfen.

Bei Schutzkleidung und Material für medizinisches Personal sieht Müller Berlin gut ausgestattet. »Aber wir brauchen Nachschub.« Hierfür sei man mit der Bundesregierung in ständigem Austausch. »Wir sind auch bereit, unkonventionelle Lösungen zu finden, nach entsprechenden Reinigungen Material mehrfach zu verwenden oder in Berlin selbst herzustellen. All das bereiten wir vor.« Erst am Mittwoch hatte die Kassenärztliche Vereinigung wegen fehlender Schutzausrüstung Alarm geschlagen.

Eine Ausgangssperre hält Müller nach wie vor für »das letzte mögliche Mittel«. Die meisten Berliner*innen wohnten in Mietwohnungen und eben nicht in Eigenheimen mit Garten. Sie sollten auch weiterhin die Möglichkeit haben, rauszugehen, auch das sei wichtig für die Gesundheit. Es brauche jetzt Geduld, um zu prüfen, ob die Maßnahmen wirken, bevor direkt neue ergriffen werden.

Die Opposition nutzte die Gelegenheit am Donnerstag vor allem für eine Generalkritik an der politischen Agenda von Rot-Rot-Grün. So forderte der CDU-Fraktionsvorsitzende Burkard Dregger, keine Vorkäufe von Häusern mehr durchzuführen. AfD-Fraktionschef Georg Pazderski wetterte gegen »sozialistische Experimente« - »Klimawahn und verbreiterte Radwege braucht niemand« - und die FDP witterte die Chance, den Mindestlohn von 12,50 Euro bei öffentlichen Aufträgen auszusetzen.

Während die Grünen davor warnen, mit den Maßnahmen übers Ziel hinauszuschießen, etwa was die Überwachung angeht, zeigt die Krise für die Linke vor allem eins: »Ein ausschließlich ökonomisch fixiertes Gesundheitssystem funktioniert vielleicht in guten Zeiten, in schlechten reicht es aber nicht aus«, so Fraktionschefin Carola Bluhm. Wichtige Reserven seien abgebaut worden, dadurch fehle es in den Krankenhäusern nun an Kapazitäten. »Wir werden das nicht vergessen.«

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