Es fehlt an allem: Wasser, Toiletten und medizinische Hilfe

Der Berlin-Brandenburgische Verein »Wir packen’s an« ruft zu einer Spendenaktion für die 8000 Flüchtlinge auf Chios auf

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Zustände sind unerträglich«, sagt Vasilis Panxou gegenüber »nd« in einem Telefongespräch. Der offizielle Vertreter der baskischen Hilfsorganisation Salvamento Marítimo Humanitario (SMH), die sich auf der Ägäis-Insel Chios um Flüchtlinge kümmert, ist verzweifelt. »Dem Camp Vial, das für 1000 Menschen ausgelegt ist und in dem jetzt 2000 Flüchtlingen kampieren, droht der Kollaps. Noch schlimmer ist die Situation im sogenannten Dschungel rings um das Camp, in dem 6000 Menschen, darunter viele unbegleitete Kinder, ohne Wasser, Toiletten und medizinische Hilfe dahinvegetieren. Hilfe durch internationale Nichtregierungsorganisationen (NGO) vor Ort wurde von den griechischen Behörden Ende Januar fast komplett untersagt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das Coronavirus auf der Insel ausbreitet. Da nutzt es auch nichts, dass die Behörden wenigstens im Camp halbherzige Desinfizierungsmaßnahmen durchführen lassen.«

Noch gibt es unter den Flüchtlingen offiziell keine Corona-Erkrankung. Doch wer weiß das schon. Erst vor zwei Tagen haben die Mitarbeiter von SMH drei Menschen mit typischen Anzeichen aus dem Camp geholt. Sie zu testen war allerdings nicht möglich, da es für die Flüchtlinge keinerlei Testmaterialien gibt.

Die Mitarbeiter von SMH, die seit 2015 auf Chios arbeiten, sind die einzigen ausländischen Helfer, die von den lokalen Behörden noch geduldet werden und sich neben einer kleinen griechischen NGO vor Ort um die Flüchtlinge kümmern dürfen. Mit zwei Ärzten, vier Pflegern, einem Apotheker und einem Dolmetscher versuchen sie täglich das Menschenmögliche, doch es fehlt an allem - medizinisches Hilfsmaterial, Desinfektionsmittel, und vor allem fehlt es an Räumlichkeiten, wo Infizierte separiert und behandelt werden können.

Hilfe kommt nun von dem Berlin-Brandenburger Verein »Wir packen’s an«, der sich Ende Februar aus einer von dem Bad Freienwalder Gastronom Andreas Steinert Ende Dezember spontan ins Leben gerufenen Spendenaktion für Flüchtlinge in Griechenland gegründet hat. Steinert, heute Vorsitzender des Vereins, sagte gegenüber »nd«: »Als wir vor acht Wochen einen ganzen Truck voller Hilfsmittel nach Chios brachten, waren die Zustände dort schon schlimm. Doch kein Vergleich zu dem, was jetzt dort passiert. Die Ausbreitung des Coronavirus hat die Situation noch weiter verschärft. Deswegen wollten wir dort aus Spendenmittel ein kleines Krankenhaus errichten. Da die Behörden aber keine ausländischen Hilfskräfte mehr auf die Insel lassen, haben wir uns mit den Mitarbeitern von SMH in Verbindung gesetzt, deren aufopferungsvolle Arbeit wir im Januar schon vor Ort kennengelernt haben.«

Inzwischen ist die Zusammenarbeit auf einem guten Weg: Durch eine in der vergangenen Woche von »Wir packen’s an« initiierte Spendenaktion kamen bereits 25 000 Euro zusammen. Mit dem Geld können Räume in einem neben dem Camp liegenden ehemaligen Fabrik- und Verwaltungsgebäude angemietet werden, um eine Corona-Krankenstation zu errichten, in der 20 Infizierte intensiv betreut werden können. Außerdem werden von den Spenden Schutzausrüstungen, medizinisches Material, Hygieneartel und andere dringend benötigte Dinge gekauft. Bereits nächste Woche wird ein erster Transport nach Chios auf die Reise geschickt.

»Um die Krankenstation aufrecht zu erhalten, benötigen wir rund 15 000 Euro im Monat«, so Andreas Steinert. »Wir hoffen und sind optimistisch, dass wir mit unserem Spendenaufruf auch diesmal wieder so eine Resonanz erzielen wie im Januar, als innerhalb weniger Tage so viel gespendet wurde, dass wir mit vier Sattelzügen mehr als 100 Tonnen Hilfsgüter nach Griechenland bringen konnten.«

Wer helfen will, findet alle Informationen unter: www.wir-packens-an.info

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