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Jena muss Maske zeigen

Stadt will Bürger zur Eindämmung der Corona-Infektion zum Tragen eines Mundschutzes verpflichten

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

In den Fernsehinterviews, die Thomas Nitzsche am Dienstag gab, trug er ihn schon: den Mundschutz. Die Bürger von Jena sollen sich nach dem Willen ihres Oberbürgermeisters an den Anblick gewöhnen. Der FDP-Politiker kündigte an, demnächst sei das Tragen der Gesichtsmaske im öffentlichen Raum Pflicht. Damit ist die Thüringer Stadt wohl die erste bundesweit, die dies vorschreibt - garniert mit einem Slogan, der dem Utensil offenbar ein wenig von seiner beängstigenden Anmutung nehmen soll: »Jena zeigt Maske«.

Doch so sehr sich Nitzsche bemüht, die Vorschrift als etwas in Zeiten der Corona-Pandemie Unspektakuläres darzustellen, so sehr offenbart er, dass auch er keine Erfahrungen mit dem Tragen dieser Stoff- oder Papierprodukte hat. Die Art Mundschutz, die er trägt, wird hinter dem Kopf mit einem Knoten zusammengebunden. Bei Nitzsche baumeln links und die Bänder der Maske.

Laut Stadtverwaltung sollen die Menschen in Jena in einer Woche nur noch mit Masken einkaufen dürfen, die Mund und Nase bedecken. Gleiches gilt für alle, die Straßenbahn und Bus fahren oder die sich in »Gebäuden mit Publikumsverkehr« aufhalten, wie es auf der Webseite der Stadt heißt. Es gehe bei diesem Schritt nicht um den Eigenschutz, sondern um den Schutz anderer wie Verkäufer, Busfahrer und Pfleger. Neben echten Masken würden auch Tücher oder Schals als Schutz anerkannt. »Diese müssen aber auch die Nase und den Mund abdecken.« Das Vorbild ist offenkundig Österreich, wo Kanzler Sebastian Kurz vor wenigen Tagen ähnliche Regelungen angeordnet hat.

Dass Jena in Sachen Mundschutzpflicht vorprescht, hat damit zu tun, dass die Stadt von der Coronakrise besonders betroffen ist. In Thüringen ist sie einer der Hotspots. Etwa 120 bestätigte Fälle gibt es hier nach Angaben der Kommune bereits. Früher als andere deutsche Kommunen hatte sie deshalb auch Bewohnern, die im Ausland oder im ebenfalls verhältnismäßig schwer vom Coronavirus heimgesuchten Bayern waren, nach ihrer Rückkehr 14 Tage häusliche Quarantäne vorgeschrieben.

Unumstritten ist die Anordnung freilich schon deshalb nicht, weil selbst Mediziner uneins sind, inwieweit das Tragen eines Mundschutzes die Ausbreitung des Virus verlangsamen kann. Außerdem herrscht Mangel an Gesichtsmasken. Und während sie in Österreich in Supermärkten verteilt werden, sollen sich die Jenaer am besten selbst welche nähen oder eben Tücher benutzen. »Jede Maske ist besser als gar keine Maske«, meint OB Nitzsche.

Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) hält eine landesweite Maskenpflicht »im Moment nicht für sinnvoll«. Das vermittle ein »falsches Gefühl von Sicherheit«, erklärte sie. Ihre sächsische Kollegin Petra Köpping (SPD) empfahl dagegen ausdrücklich Atemschutzmasken gegen das Coronavirus. Sie halte es »für außerordentlich wichtig«, sie in der Öffentlichkeit zu tragen, sagte sie am Dienstag in Dresden. Von einer Maskenpflicht ist auch in Sachsen allerdings noch keine Rede.

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