Aufnahmestopp im Bergmann-Klinikum

Beim Test aller 530 Patienten in Potsdamer Krankenhaus wurden viele Coronafälle ohne Symptome entdeckt

Das ist das Tückische an dem neuartigen Coronavirus: Die einen leiden fürchterlich daran, sterben im schlimmsten Fall, die anderen merken nicht einmal, dass sie sich infiziert haben – und stecken andere an.

Das kommunale Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam ist dadurch in eine schwierige Situation geraten. Am Mittwoch entschieden Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) und Gesundheitsamtsleiterin Kristina Böhm, einen Aufnahmestopp zu verhängen. Ausgenommen davon sind allein die Geburtsstation und akute Notfälle, bei denen die Zeit nicht mehr ausreicht, sie in ein anderes Krankenhaus zu transportieren. »Die medizinische Versorgung in Potsdam und im Umland ist weiterhin gesichert«, beteuerte Schubert. An diesem Freitag soll die Lage neu bewertet werden.

Fakten

In Potsdam gibt es 160 bestätigte Covid-19-Fälle. Gestorben sind hier bislang zehn infizierte Menschen: sieben im Bergmann-Klinikum und zwei im St.-Josefs-Krankenhaus. Vier der Toten waren Einwohner der Stadt.

Mehr als 600 Einwohner Potsdams befinden sich derzeit als Kontaktpersonen ersten Grades in häuslicher Isolation.

Das Bergmann-Klinikum hat 61 Patienten mit Covid-19-Infektion in Behandlung. Elf davon liegen auf der Intensivstation, zehn werden beatmet.

Das St.-Josefs-Krankenhaus behandelt zehn Coronapatienten.

Das brandenburgische Gesundheitsministerium wusste am Donnerstagmorgen von 1107 Covid-19-Infizierten im Bundesland, darunter 76 in Krankenhausbehandlung, sowie von zehn Todesfällen. Aus Potsdam hatte das Ministerium aber noch nicht die neuesten Zahlen. af

Die zentrale Notaufnahme der Landeshauptstadt befindet sich jetzt im St.-Josefs-Krankenhaus, das vom katholischen Alexianer-Orden betrieben wird. Personal aus dem Bergmann-Klinikum verstärkt die dortige Notaufnahme. »Die Zusammenarbeit zwischen den Klinken ist in dieser außergewöhnlichen Situation sehr wichtig. Nur im gemeinsamen Handeln haben wir die Chance, die lokalen Auswirkungen der Krise zu bewältigen«, erklärte Potsdams Gesundheitsbeigeordnete Brigitte Meier.

Was war geschehen? Seit Mitte März schaute sich der Krisenstab des Bergmann-Klinikums zweimal täglich an, wie sich die Zahl der bestätigten Covid-19-Infektionen und der Verdachtsfälle entwickelte. In der Nacht zum Sonnabend gab es eine auffällige Anzahl positiver Laborergebnisse. Daraufhin wurde entschieden, sämtliche 530 Patienten zu testen. Bis Montag sind auf diese Weise 33 Infektionen bekannt geworden. Hätte man nur jene Patienten getestet, die unter die vom Robert-Koch-Institut aufgestellten Kriterien fallen, wären 32 der Infektionen nicht aufgefallen. Inzwischen liegen die Testergebnisse aller Patienten vor.

Es wurden noch 17 weitere Covid-19-Fälle entdeckt. Die Patienten lagen wegen anderer Beschwerden im Krankenhaus und zeigten teilweise keinerlei Symptome, die auf das Coronavirus hindeuteten. Sofortmaßnahmen waren bereits am Wochenende eingeleitet worden.

Das Ernst-von-Bergmann-Klinikum ist nun unterteilt in separate Bereiche für Patienten mit und ohne Covid-19-Diagnose. Die Patienten sind auf dem Campus in unterschiedlichen Gebäuden untergebracht und so sind die Infizierten und die nicht Infizierten konsequent voneinander getrennt. »Dies ist auch ein Lerneffekt von unseren Kollegen aus Italien und Frankreich«, hatte es geheißen. Die Intensivstation für Covid-19-Patienten befindet sich demnach im Gebäude LL. Diejenigen, die es nicht so schlimm getroffen hat, werden im Gebäude H behandelt. Bereits seit dem Wochenende gilt, dass alle Patienten und Mitarbeiter alle drei Tage auf das Virus getestet werden sollen.

»Eine Situation wie im Ernst-von-Bergmann-Klinikum kann grundsätzlich auch an jedem anderen Krankenhausstandort eintreten«, warnte Linke-Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg am Donnerstag. Eine Übertragung des Virus könne selbst bei flächendeckenden Tests nicht ausgeschlossen werden. Umso nötiger sei eine zentrale Steuerung der Kapazitäten durch die Landesregierung. Soweit Wollenberg weiß, stehen für kontinuierliche und vollständige Tests des medizinischen Personals noch immer keine ausreichenden Testkits zur Verfügung. Hier müsse die Regierung eingreifen, Material beschlagnahmen und die Umstellung der Produktion anweisen.

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